„Neidisch auf Afghanistan“

Robert Misik spricht über Religionskritik

■ lebt und arbeitet in Wien, schreibt Bücher (u.a. „Genial dagegen.Kritisches Denken von Marx bis Michael Moore“) und regelmäßig für die taz. Foto: privat

taz: Herr Misik, was steht hinter der „Rückkehr der Religionen“?

Robert Misik: Einerseits ist dieser Slogan die Beschreibung eines Sachverhalts. Andererseits ist er eine Proklamation von Leuten, die unbedingt wollen, dass die Religion zurückkehrt.

Welche Gefahr sehen Sie darin?

Wir konnten zuletzt einen Aufschauklungszusammenhang der Religionen beobachten. Angesichts des militanten Islams fühlen sich christliche Milieus bedroht, schauen aber gleichzeitig mit ein bisschen Neid auf den Iran oder Afghanistan und denken sich: So viel Glaubensleidenschaft würde unseren Leuten auch nicht schlecht tun.

Sehen Sie auch Potenzial in der Rückkehr der Religionen?

Nein. Manche sagen ja, Religionen stützen die Moralität, denen muss man aber sagen: Es gibt keine Belege dafür.

Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas meint, die säkulare Gesellschaft brauche religiöse Stimmen, weil sie sich sonst von wichtigen Ressourcen der Sinnstiftung abschneide …

… was unterstellt, dass sich eine säkulare Gesellschaft aus sich heraus nicht entwickeln kann; dass der moderne Mensch immer vormoderne Wurzeln braucht. Das würde ich bestreiten. Was nicht heißt, dass der Schatz religiöser Erzählungen nicht eingeht in den Fundus der Menschheitsgeschichte. Das tut er – wie andere Erzählungen der Weltliteratur auch. INTERVIEW: MAP

Vortrag „Die Notwendigkeit und die Fallen zeitgenössischer Religionskritik“: 18.30 Uhr, Uni, FB Sozialökonomie, Von-Melle-Park 9