„Wir sind zum Waffenstillstand bereit“

Bei den heutigen Wahlen zum palästinensischen Parlament sieht sich die islamistische Hamas-Bewegung vorne liegen. Doch auch bei einem Wahlerfolg werde man nicht gleich die Waffen niederlegen, meint Hamas-Sprecher Farhat As’ad

taz: Herr As’ad, Sie leiten die Wahlkampagne der Hamas. Worauf konzentrieren Sie sich?

Farhat As’ad: Unser Slogan heißt „Veränderung und Reform“. Was wir in erster Linie tun, ist, die Leute daran zu erinnern, was die Hamas in den vergangenen Jahren für sie getan hat.

Was steckt hinter diesem Slogan? Geht es darum, dass sich die Hamas verändert hat – von einer militanten Bewegung zu einer politischen Partei?

Die Hamas befindet sich in einem kontinuierlichen Prozess der Veränderung. Nur lassen die aktuellen politischen Bedingungen eine solche Entwicklung nicht zu. Aber die Hamas betritt nun die politische Arena. Das war 1996 noch nicht möglich.

Weil Sie damals gegen das Abkommen von Oslo waren?

Wer sagt denn, dass wir heute dafür sind? Die ersten Parlamentswahlen fanden im Rahmen der Osloer Vereinbarungen statt, das stimmt. Aber die Wahlen in diesem Jahr sind Ergebnis eines innerpalästinensischen Dialogs, der letztes Jahr in Kairo stattfand.

Schwört die Hamas damit der Gewalt ab?

Die Hamas lehnt jegliches Blutvergießen ab, egal, welche Nationalitäten betroffen sind. Sobald die israelischen Truppen abziehen, werden wir die Waffen niederlegen.

Von einem Abzug aus welchem Gebiet sprechen Sie?

Wir sind zu einer „Hudna“, einem temporären Waffenstillstand, bereit, wenn die Israelis das Westjordanland und den Gaza-Streifen verlassen. Wir können die Besatzung nicht akzeptieren.

Eine „Hudna“ ist aber noch kein Friedensvertrag, oder?

Ich sage nicht, dass es keinen Frieden geben wird. Aber es leben sechs Millionen Palästinenser im Exil. Wir können ihr Recht auf Rückkehr nicht aufgeben.

Rückkehr wohin? Auch in das heutige Israel?

In ihr Heimatland. Genau so, wie jeder Deutsche das Recht hat, nach Deutschland zurückzukehren, sollten auch die Palästinenser nach Palästina zurückkehren dürfen. Die Politik der rassischen Diskriminierung muss ein Ende haben. Die Juden werden mit allen Mitteln dazu angetrieben, nach Israel zu ziehen, während die Palästinenser nicht zurückkehren dürfen. Wir werden keinen Juden, der früher in Palästina gelebt hat, daran hindern, in Palästina zu leben. Nichts anderes fordern wir umgekehrt.

Sie wissen, dass Israel dies nicht akzeptieren wird – weil es kein jüdischer Staat mehr wäre, wenn sechs Millionen Palästinenser nach Akko und Haifa zurückkehren würden.

Es gibt in der gesamten Welt keinen Staat, der auf Religion basiert. Wir reden von einer Welt, die humaner werden will. Deutsche können in Saudi-Arabien leben und umgekehrt. Warum sollte es also für Juden eine besondere Ausnahme geben?

Es würde dann jedenfalls ziemlich eng werden in Israel.

So schlimm, wie es jetzt schon in Gaza ist, wird es sicher nicht werden. Aber wenn das das Problem ist, dann sollte Israel die Immigration von Juden stoppen.

Ist die Hamas zum Dialog mit Israel bereit?

Wir würden aufgrund der „Hudna“ zunächst eine Ruhephase haben, um alle Probleme zu lösen. Nach einem Abzug aus dem Westjordanland und Jerusalem könnten wir dann mit Israel verhandeln – von Staat zu Staat.

Das heißt, dass Sie vorläufig keinen Dialog führen werden?

Seit 15 Jahren verhandeln die Palästinenser mit Israel, und es hat zu nichts geführt. Wir brauchen keine weiteren Verhandlungen, sondern eine Umsetzung der internationalen Resolutionen und den Abzug von unserem Land.

Das Weiße Haus hat gedroht, seine Finanzhilfen einzustellen, sollte die Hamas Teil der künftigen Regierung werden.

Wir sind sicher, dass Europa und die USA ihre Positionen ändern werden, sobald die Hamas an nationalen politischen Entscheidungen teilhaben wird. Wir vertrauen darauf, dass die westlichen Regierungen verstanden haben, dass sie den Weg über Palästina gehen müssen, um ihre Interessen in der Region zu wahren, und nicht über den Irak.

Glauben Sie, US-Präsident Bush sieht das auch so?

Bush hat Verhandlungen mit bewaffneten Gruppen im Irak aufgenommen, die für den Tod von Amerikanern verantwortlich waren. Da wird es für ihn nicht so schwer sein, mit der Hamas in Kontakt zu treten, wenn sie durch Wahlen legitimiert wird. Die Hamas hat nicht einen einzigen Amerikaner getötet.

Mit welchem Ergebnis rechnen Sie bei den Wahlen heute?

Wir hoffen natürlich darauf, die Mehrheit zu erhalten. Darauf deuten die Ergebnisse der Kommunalwahlen, aber auch die Meinungsumfragen hin. Bei den Kommunalwahlen bekamen wir 49,9 Prozent, obwohl uns die Umfragen nur 14 Prozent vorausgesagt hatten. Nun gibt uns die jüngste Umfrage der Bir-Zeit-Universität 30 Prozent. Da können Sie sich ausrechnen, welches Ergebnis wir erreichen werden.

INTERVIEW: SUSANNE KNAUL