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Archiv-Artikel

Kongo-Brazzaville führt Afrika

AU-Gipfel in Khartoum: Sudan bekommt nicht den Vorsitz der Afrikanischen Union

BERLIN taz ■ Nicht Sudan, sondern Kongo-Brazzaville bekommt die Präsidentschaft der Afrikanischen Union (AU). Diesen Kompromiss fanden die afrikanischen Staats- und Regierungschefs in der Nacht zu gestern auf dem AU-Staatengipfel in Sudans Hauptstadt Khartoum. Zuvor hatte die Möglichkeit einer sudanesischen AU-Präsidentschaft die Organisation in eine tiefe Spaltung getrieben.

Kongo-Brazzavilles Präsident Denis Sassou-Nguesso übernahm die Präsidentschaft gestern Vormittag vom Nigerianer Olusegun Obasanjo. In einer ersten Rede hinter verschlossenen Türen kündigte er laut einem an die Öffentlichkeit geratenen Redetextentwurf an, seine Priorität „wird selbstverständlich die Konfliktprävention sein müssen“.

Der AU-Präsident ist häufig führende Figur bei AU-Friedensvermittlungen in afrikanischen Konflikten. So stehen die laufenden Friedensgespräche zwischen Sudans Regierung und den Rebellen des sudanesischen Darfur unter Schirmherrschaft des AU-Präsidenten an. Unter anderem deswegen war es für viele afrikanische Länder undenkbar, dass Sudan die Präsidentschaft selbst übernimmt.

Der Gipfel legte fest, dass Kongo-Brazzaville die AU zunächst für ein Jahr führt und 2007 Sudan doch drankommt. Dies scheint die endgültige Abkehr vom Prinzip zu bedeuten, dass der Gastgeber eines AU-Gipfels AU-Präsident wird. Beim letzten AU-Gipfel in Libyen im Juli 2005 war bereits Nigeria statt Libyen als Präsident bestätigt worden. Die nächsten AU-Gipfel gibt es im Juli 2006 in Gambia und im Januar 2007 in Äthiopien.

Die Wahl von Kongo-Brazzavilles Präsident Sassou-Nguesso ergab sich daraus, dass dieser als Moderator bei den Krisengesprächen zwischen seinen Kollegen über die AU-Präsidentschaft gedient hatte. Sassou-Nguesso, der sein Land bereits 1979–92 als Militärdiktator regiert hatte und sich 1997 per Bürgerkrieg zurück an die Macht kämpfte, gilt als einer der erfahrensten Politiker Afrikas und solider Verbündeter Frankreichs. Seine Wahl stärkt das frankophone Lager in der AU, das zuletzt durch die Dominanz Nigerias und Südafrikas an den Rand gedrängt worden war. Kongo-Brazzaville stützt außerdem ebenso wie andere frankophone Länder Zentralafrikas die Regierung des Tschad in ihrem eskalierenden Konflikt mit Sudan. Die Gefahr eines tschadisch-sudanesischen Krieges, in den das an der Grenze liegende Darfur einbezogen wäre, steht weit oben auf der AU-Agenda für mögliche neue afrikanische Krisenherde.

Zunächst sorgt die Entscheidung von Khartoum für eine leichte Entspannung in Darfur selbst. In Erwartung einer Übernahme der AU-Präsidentschaft durch Sudan hatten Darfurs zwei große Rebellenbewegungen SLA (Sudanesische Befreiungsarmee) und JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) Ende letzter Woche ihre Vereinigung angekündigt und am Montag die laufenden Darfur-Friedensgespräche in Nigeria für beendet erklärt. Nach der Gipfelentscheidung erklärte sich die JEM gestern wieder zu Verhandlungen bereit. DOMINIC JOHNSON

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