: „Klare Architektur, die etwas Verspieltes hat“
KINO-MAGIE Mit Filmscheinwerfen ausgeleuchtet: Ein Gespräch mit der Fotografin Christine Kisorsy, die den Zoo Palast porträtiert hat
■ Geboren 1968, erste Arbeit als Standfotografin für Kurzfilmproduktionen 2003. Reisen durch Ost- und Südeuropa 2003 bis 2005. Journalistische Ausbildung bei der Fotojournalistin Ann-Christine Jansson (Stern u. a.) und Imago-Ausbildungsklasse Fotografie bei dem Fotografen Andreas Rost (DGPh).
INTERVIEW BRIGITTE WERNEBURG
taz: Frau Kisorsy, die schlechte Nachricht zuerst: Den Zoo Palast wird es in seiner jetzigen Form nicht mehr lange geben. Die gute Nachricht: Sie haben ihn in all seinen Facetten fotografiert, in wunderbaren Aufnahmen. Woher wussten Sie, dass es höchste Zeit ist?
Christine Kisorsy: Ich mache diese Aufnahmen ja schon seit 2004. Das Projekt hat seinen Ursprung an meiner Fotografenschule. Wir mussten uns ein Thema suchen, und da habe ich beim Zoo Palast angerufen und gefragt, ob ich mal vorbeikommen und ein paar Fotos machen darf. Daraus wurden dann sechs Jahre, auch weil ich angefangen habe, mich mit der Geschichte des Kinos zu befassen. Dabei wurde mir klar, wie wichtig es ist, diese Bilder vom Zoo Palast zu machen.
Es handelt sich um eine aufwendige Dokumentation. Sie haben sich sicher nach Unterstützung umgeschaut?
Das ist richtig. Das Fotodokumentationsprojekt habe ich zuerst privat finanziert. Im Jahr 2007 kam dann zuerst eine Medieninstallation, die von der Homebase Berlin, dem Forum des jungen Films und der deutschen Kinemathek unterstützt wurde, später kam vom Kunstamt Berlin-Charlottenburg eine Förderung durch eine Ausstellung zum 50. Geburtstag des Zoo Palasts. Ich konnte immer neue Freunde und Förderer finden; jetzt hat die Berlinale Fotos für ihre Sammlung angekauft. So kann ich weitermachen.
Ihre Bilder sind beispielhafte Architekturfotografie. War die Architektur Ausgangspunkt Ihres Interesses am Zoo Palast oder Ihre Beziehung zum Kino?
Meine besondere Beziehung zum Kino. Ich habe relativ lange, von 1994 bis 2001, in den Sammlungen der Deutschen Kinemathek gearbeitet. Da habe ich mir viel Filmwissen angeeignet und Kontakte zum Film bekommen, etwa zur Berlinale. Es war ein organischer Prozess.
Die Bilder im Buch scheinen mir sehr entschieden, da scheint viel Wissen über den Palast kondensiert: Wie haben Sie sich dem Zoo Palast fotografisch genähert?
Was ich an diesem Fünfzigerjahre-Bau spannend finde, ist die klare Architektur, die doch etwas Verspieltes hat. Das sieht man etwa an den Türgriffen oder den Geländern. Man sieht es meinen Bildern nicht unbedingt an, aber sie entstanden nicht mit dem vorhandenen Licht im Kino. Ich habe die Räume mit Filmscheinwerfern ausgeleuchtet, als ob es sich um ein Filmset handelt. Ich habe früher viel Standfotografie gemacht und gelernt, gebaute Räume so auszuleuchten, dass sie auf dem Foto wirken, als wären sie echt.
Sie haben sicher mit einer großen Fachkamera gearbeitet?
Nein, ich habe mit einer Kleinbildkamera und einem 28-mm-Objektiv gearbeitet. Ich habe sie auf ein Stativ gesetzt und mit der Wasserwaage ausgerichtet. Das ist das Tolle am Zoo Palast. Sie können weit zurückgehen und die richtige Perspektive finden.
Was ist Ihr Lieblingsbild, und was erzählt es?
■ Mit dem Kino als architektonischem Raum hat es eine seltsame Bewandtnis: Man betritt ihn, damit er in der Dunkelheit verschwinden möge. Zu Recht also hat Christine Kisorsy den Zoo Palast mit ihren Filmscheinwerfern ins rechte Licht gerückt, als sie daranging, das mit über 1.500 Sitzplätzen in zwei Sälen größte Kino Berlins fotografisch zu porträtieren.
■ Seine giftgrünen Lederklappsitze, die farblich abgestimmten Telefone der Platzanweiser, die Türgriffe, die an abstrakte Plastiken erinnern, die schwungvollen Geländer oder der persischrote Vorhang, das Supersymbol der Kino-Magie, von der ihr Buch schon im Titel spricht. Mit diesen sorgfältig inszenierten Details wie den Panoramaaufnahmen des riesigen Saals gelang der in New York geborenen Fotografin und Kuratorin ein fotografisch bedeutsames Denkmal des 1957 als „Musterbeispiel modernster Kino-Architektur“ wiederaufgebauten Kinos.
■ Die einladende Einführung von Berlinale-Chef Dieter Kosslick und ein kluger Essay des Filmkritikers und -historikers Michael Althen machen den wunderschönen Bildband zu einem lesenwerten Geschichtsbuch über Berlin. (wbg)
■ Christine Kisorsy: „Kino-Magie/Cinema Magic“. Zoo Palast Berlin“. Mit einem Vorwort von Dieter Kosslick und einem Essay von Michael Althen. Deutsch/Engl., Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2010, gebunden, 72 Seiten, 36 Farbfotos, 17,90 €
Eines meiner Lieblingsbilder sind diese drei Saaltüren aus Mahagoniholz mit ihren wundervoll geschwungenen Türgriffen. Man sieht die Reihe neun, die seit 1957, bei der Berlinale oder bei großen Filmpremieren, immer die Reihe der Stars ist. Sie haben Beinfreiheit, weil davor ein Zwischengang ist. Deshalb ist sie auch gut abzusichern. Darüber sind die VIP-Logen zu sehen, die heute nicht mehr benutzt werden. Früher gingen die Stars und Prominenten hier rein und sahen sich den Film abseits vom Publikum an. Wenn sie mal kurz raus wollten, ging das problemlos.
Bei diesem Bild, bei dem die Decke wie der Sternenhimmel in den Saal hineinschwebt, wo standen da die Scheinwerfer?
Nachdem ich und mein Assistent die Kamera aufgebaut hatten, haben wir begonnen, das Bild auszuleuchten. Wir mussten die Scheinwerfer auf die Balustraden stellen, sonst wären wir mit dem Licht nicht in die Decke gekommen. Dieser wahnsinnige Luftraum über dem Saal, das ist sehr beeindruckend. Deswegen denke ich, jeder, der die Möglichkeit hat, sich das noch einmal in echt anzuschauen, sollte die Gelegenheit nutzen, solange es sie noch gibt.