: Eindeutigere Diagnosen
GESUNDHEIT Gestiegen sind laut Gesundheitsreport der DAK zwar die Fehltage von Bremer ArbeitnehmerInnen aufgrund psychischer Probleme. Häufiger psychisch krank seien sie aber nicht
Jörg Zimmermann, Klinikum Ost
Weniger krankgeschrieben als im Vorjahr waren im Land Bremen erwerbstätige Krankenversicherte. Zu diesem Ergebnis kommen die VerfasserInnen des DAK-Gesundheitsreport 2013, in dem die Daten aller DAK-Versicherten – darunter rund 14.000 BremerInnen – aus dem Jahr 2012 ausgewertet wurden.
4,1 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Bremen seien im Jahr 2011 mindestens einen Tag krankgeschrieben gewesen, 2012 waren es wie der Bundesdurchschnitt 3,8 Prozent. Dafür sind BremerInnen mit durchschnittlich 13 Tagen etwas länger krank als der Rest der Republik.
Auffällig sei, dass die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen seit dem Jahr 2000 in Bremen stärker zugenommen habe als im Bundesdurchschnitt, so Susanne Hildebrandt vom Berliner IGES-Institut, das die Studie im Auftrag der DAK durchgeführt hatte. Gemessen an den Tagen, die jemand wegen einer psychischen Erkrankung gefehlt hat, liegt Bremen auf dem vierten Platz – nach dem Saarland, Hamburg, Berlin und Bremen.
Auch bei den psychischen Einzeldiagnosen gibt es eine Bremer Besonderheit: Wie überall schreiben Ärztinnen am häufigsten – in 88,8 Prozent aller Fälle – wegen einer Depression krank. Ungewöhnlich viele erkranken aber auch an einer durch Alkohol bedingten Störung oder haben auf der Krankschreibung die Diagnose Z73 stehen. Dahinter verbergen sich „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“, zu denen auch die relativ neue und medizinisch nicht eindeutig definierte Erscheinung des „Burn-outs“ gehört.
„Ein Burn-out ist meistens nichts als anderes als eine Depression“, sagte dazu Jörg Zimmermann, Leiter des Zentrums für Psychiatrie, Psychotherapie und Abhängigkeit am Klinikum Bremen-Ost. „Sagt sich aber leichter, weil es nach besonderer Leistungsfähigkeit klingt.“ Zimmermann sieht darin eine „Zwei-Klassen-Medizin“: Grundsätzlich seien psychische Erkrankungen heute zwar weniger stigmatisiert, hat der Mediziner beobachtet. Dies gelte aber nicht für schwere Störungen wie Schizophrenie oder eine schwere Depression. „Jemand mit einem Burn-out lassen Sie noch in Ihre Nähe, aber die anderen nicht.“ Problematisch findet er auch, dass diejenigen mit einer schweren Erkrankung große Schwierigkeiten haben, einen Psychotherapie-Platz zu finden. Dies liege zum einen an ihren mangelnden Ressourcen, sich um so etwas zu kümmern als auch an der begrenzten Zahl an Plätzen. Damit deutete er den immer wieder erhobenen Vorwurf an, dass sich PsychotherapeutInnen lieber die leichten Fälle herauspicken. Zimmermann wies darauf hin, dass die ansonsten repräsentative Studie keine Aussage über die Verbreitung psychischer Erkrankungen bei Arbeitslosen treffen könne.
Dass psychische Erkrankungen in der Allgemein-Bevölkerung stark zugenommen hätten, sei nicht richtig, so Susanne Hildebrandt. Vielmehr seien Diagnosen aufgrund anderer Beschwerden zurückgegangen. Mit der gestiegenen Akzeptanz für psychische Probleme würden diese heute häufiger als solche erkannt und diagnostiziert – und nicht mehr als „Magenbeschwerden“ oder „Rückenschmerzen“. Zu diesem Ergebnis sei auch eine große Studie des Robert-Koch-Instituts gekommen.
Wissen wollte die DAK auch, ob es einen Zusammenhang zwischen fehlenden Grenzen von Arbeit, Freizeit und Stress-Reaktionen gibt. Das Ergebnis: Ja, wer auch außerhalb der Arbeitszeit stets erreichbar ist, hat ein erhöhtes Risiko, psychisch krank zu werden. Rund zwei Drittel aller ArbeitnehmerInnen gaben in einer Befragung aber an, selten oder gar nicht zu Hause erreichbar zu sein. Dies bezieht sich allerdings nur auf abhängig Beschäftigte – dass FreiberuflerInnen stärker belastet seien, sei anzunehmen, so der Mediziner Zimmermann. EIB