Ferien im Haus der Stille

Der Trend zum Urlaub im Kloster ist ungebrochen: Besonders für gestresste Städter sind die oft idyllisch gelegenen Abteien der ideale Ort, um zur Ruhe und zu sich selbst zu kommen. Gläubige Klostergäste können natürlich auch spirituelle Einkehr suchen

VON LUTZ DEBUS

Mario F. ist Werbetexter. Ein knochenharter Beruf, wie er beteuert. Immer Termindruck, immer kreativ sein, immer präsent sein. Immer am Puls der Zeit. Etwas stolz und etwas leidend beschreibt er seinen Berufsalltag. In quälend langen Sitzungen muss er originelle Wortkombinationen finden. Irgendwann vor ein paar Wochen blieb der Bildschirm seines Computers weiß. Der Textdesigner war urlaubsreif. Ein Bekannter erzählte ihm, dass Campino, der legendäre Sänger der Toten Hosen, regelmäßig einige Tage in einem Kloster verbringe um wieder zu sich zu kommen. Mario F. fand das zunächst lustig. Der Punker beim Papst, werbetextete der 41-jährige. Dann aber lies ihn der Gedanke nicht los. Vielleicht gar keine so schlechte Idee. Für zwei Tage, oder drei oder vier...

Urlaub im Kloster gab es schon immer. Klöster galten im Mittelalter generell als Herberge, Hospital, Sozialstation, Zufluchtsort. Viele Orden nehmen auch heute gerne und auch unverbindlich Besucher auf. Manche Gemeinschaften erklären die Bewirtung von Fremden sogar zu ihrer Christenpflicht. „Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus,“ steht bereits als Handlungsanweisung in den Römerbriefen. Allerdings machen nur wenige Klöster offensiv Werbung mit diesem Angebot. In den Zeiten des weltweiten Werbens stellen sich inzwischen aber sogar einige Kloster mit ihren Angeboten im Internet dar. Unter www.klosterhotel.de wirbt zwar ein weltlich-kommerzieller Anbieter, ein Luxushotel in der Pfalz. Aber beim Weitergoogeln trifft der Ruhesuchende auf die vielfältigsten Angebote (siehe unten).

Auch Mario F. googelte. Nach einem Kongress in Gütersloh wollte er sich ein paar Tage Ruhe gönnen. Nicht ganz ernst gab er „Haus der Stille Bielefeld“ in die Suchmaske ein. Er wunderte sich nicht schlecht. War er doch bei dem Mutterhaus der Sarepta-Schwesternschaft gelandet. Ein Einkehrhaus auch für Einzelpersonen. Im Stadtteil Bethel gelegen. Von der großen Behinderteneinrichtung hatte Mario F. schon gehört. Früher gaben seine Eltern immer die Altkleider dahin. Und nun soll er da übernachten? Urlaub machen? Er griff zum Telefon.

Am nächsten Abend stand er mit seinem Hartschalenkoffer vor der Rezeption. Modern eingerichtet, vor kurzem kernsaniert, mutmaßte er. Eine junge Frau im dunkelblauen Kostüm gab ihm den Zimmerschlüssel. Nach dem Morgengebet, das um 8 Uhr stattfinde, könne er sein Frühstück einnehmen, teilte sie ihm freundlich mit. Das Zimmer war, wie er es auch erwartet hatte, spartanisch eingerichtet. Ein Bett, ein Nachtisch, ein Kleiderschrank, ein Kreuz an der Wand, eine Bibel auf dem Nachtisch. Mario F packte sein Laptop aus, checkte die Mails, schrieb noch ein bisschen, surfte noch ein bisschen, schlief dann ein.

Am Morgen weckte ihn ein fremder Klingelton. Jemand lief mit einem Glöckchen den Flur auf und ab. Mario F. ging in die Dusche. Im Frühstücksraum saß schon eine Gruppe älterer Damen und Herren um eine große Tafel. Für ihn war an einem kleineren Tisch eingedeckt. Graubrot, Butterflöckchen, Scheibenkäse, Weissdorngelee und Pfefferminztee. „Guten Morgen“, grüßte er die benachbarte Runde. Die älteren Herrschaften schauten von ihren Tellern, lächelten den Gast an. Da kam eine Ordensschwester herbeigeeilt.

Mit Gesten bat sie Mario F. in den Nebenraum. Er möge doch in Gegenwart der Schweigegruppe nicht sprechen. Für eine Woche sei diese Gast des Hauses. Niemand der Gruppe würde während dieser Zeit etwas sagen. Und um dies zu respektieren, bitte man auch die anderen Gäste, bei den Mahlzeiten zu schweigen. Mario F. verstand und bat um einen Kaffee. Während des Frühstücks schmiedete er Pläne für den Tag.

Neben der Übernachtung bieten Klöster in NRW verschiedene Möglichkeiten. In Hörstel zwischen Rheine und Osnabrück gelegen, kann unter fachkundiger Aufsicht eine Heilfastenkur gemacht werden. In Knechtsteden, nördlich von Köln, werden Gruppen von Jugendlichen und auch Erwachsenen in einem “Heuhotel“ untergebracht. Da wird die Übernachtung unterm Scheunendach auf Heuballen zu einem prickelnden Erlebnis. Das Kloster Kamp am Niederrhein bietet dem Besucher einen Garten mit Zauber- und Färbepflanzen sowie über 500 verschiedenen Heilkräutern. In vielen Klöstern werden Konzerte, Lesungen und Kunstausstellungen veranstaltet. Im Vordergrund steht aber immer das Gebet für Gläubige und die Beschäftigung mit spirituellen Fragen. Menschen, die keinen Bezug zum christlichen Glauben haben, nutzen das Angebot, einige Tage im Kloster zu verbringen, um zur Ruhe und zu sich selbst zu kommen.

Mario F., der Werbetexter, hatte einen ausgedehnten Spaziergang durch den Teutoburger Wald hinter sich gebracht. In Erinnerung an das morgendliche Graubrot kehrte er zu Mittag lieber bei einen Griechen am Wegesrand ein. Nach einem Mittagsschläfchen in seiner Kammer stellte er fest, dass sowohl Handy, Digitalkamera wie auch Laptop dringend aufgeladen werden mussten. Er fand in seinem Zimmer zwar eine Steckdose. Doch Strom kam nicht aus ihr. Erst wollte er für seine Gerätschaften einen Anschluss im Kloster suchen. Dann besann er sich eines besseren. Schließlich war er zur Entspannung hierhin gekommen. Draußen regnete es inzwischen intensiv. Rauchend stand er vor der Eingangstür und dachte an Abreise. Dann aber sprang er, durch ein paar Pfützen, einige Stufen hinab, zur gegenüberliegenden Zionskirche. Stundenlang verbrachte er dort. Auch am folgenden Tag. Die Schnitzereien. Die runden Fensterbögen. Die Bilder. Die Stille.

„Nein, zum Christen bin ich nicht geworden“, gibt Mario F. zu. Auch der Alltag, der Stress, der Termindruck, der Zwang zur Kreativität, all das ist geblieben. Aber nächstes Jahr wird er wieder für ein paar Tage nach Bielefeld fahren. Das habe er sich fest vorgenommen.

Klosterurlaub im InternetManderscheidt/Vulkaneifel: www.kloster-himmerod.deGrevenbroich/Kreis Neuss: www.zisterzienser-langwaden.de Hörstel: www.samariter-fasten.de Bielefeld:www.nazareth.de/Tagung/HdS Meschede: www.koenigsmuenster.deDormagen:www.spiritaner.de/knechtsteden/einricht.htm