: Steinsplitter fürs Museum
Das Rheinische Landesmuseum in Bonn zeigt Funde eines Hobby-Archäologen, die das Bild vom Rheinland veränderten. Die Sammlung Schol dient als Auftakt des Neandertalerjahres 2006
AUS BONN DIRK ECKERT
Gerade mal fingernagelgroß sind die kleinen Sensationen. Wer nicht viel Neugier mitbringt, würde sie bei einem Spaziergang für Steinsplitter halten und liegenlassen. Aber bestimmt nicht erkennen, dass es sich um Pfeilspitzen handelt, die Menschen am Ende der letzten Eiszeit – also gut 9.600 Jahre v. Chr. – im Rheinland für die Jagd benutzt haben.
Wilhelm Schol aus Mönchengladbach war neugierig genug, genauer hinzuschauen. Bereits in den 1960er Jahren begann er, die Felder seiner Heimat nach Zeugnissen der Vergangenheit abzusuchen. Zwar liegen die steinernen Reste der allerersten Rheinländer in der Regel tief unter der Erde, durch Bodenerosion, Unterspülung oder stetiges Umpflügen gelangen aber immer wieder einzelne Schichten ans Licht. In vier Jahrzehnten stieß der inzwischen pensionierte Prokurist so auf Spuren von Neandertalern, jungsteinzeitlichen Bauern und mittelsteinzeitlichen Jägern, aber auch Römern, Kelten und Menschen aus dem Mittelalter. Vor allem im Rur-Tal östlich von Aachen wurde er häufig fündig. Was Schol entdeckte, veränderte die Geschichtsschreibung des Rheinlands: Erstmals konnte eine Besiedlung durch moderne Menschen bereits gegen Ende der letzten Eiszeit nachgewiesen werden.
Seine Sammlung mit über 10.000 Einzelstücken hat Schol jetzt dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn vermacht. Dort dankt man es dem Hobby-Archäologen mit einer kleinen Sonderausstellung. Bis Mitte März sind die wichtigsten Einzelstücke der Sammlung zu sehen, neben den Harpunen- und Pfeilspitzen auch einfache Werkzeuge wie Bohrer und Klingen.
Die Faustkeile, das „Universalwerkzeug des Neandertalers“, dessen Entdeckung in Mettmann bei Düsseldorf sich in diesem Sommer zum 150. Mal jährt (siehe Kasten), fehlen natürlich auch nicht. Wilhelm Schol hat einiges zur Erforschung der berühmten Urmenschen beigetragen. Auch aufgrund seiner endlosen Entdeckungstouren durch die Felder gibt es inzwischen einige hundert Faustkeile aus dem Rheinland. Bevor er mit seiner privaten Forscherarbeit begann, waren gerade sechs Faustkeile entdeckt worden.
Schol gelang es auch, verschiedene Siedlungsplätze der Neandertaler in der Region nachweisen. Vor allem auf dem Hochplateau zwischen Rur- und Merzbachtal fanden sich zahlreiche Steinzeitwerkzeuge, die der Neandertaler wohl bei der Jagd auf Riesenhirsche oder Wollnashörner dringend brauchte. Gefertigt wurden alle aus Maasschotter-Feuerstein.
Das Rheinische Landesmuseum, das seit 1877 die Überreste des rund zwanzig Jahre vorher in Mettmann entdeckten Neandertaler besitzt, widmet dem Frühmenschen demnächst eine eigene Ausstellung. „Roots – Wurzeln der Menschheit“ zeigt ab Juli alle bedeutenden Originalfunde. Die Präsentation der Sammlung Schol ist der Auftakt des Neandertalerjahres 2006.