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Archiv-Artikel

Lauter tumbe Holzköpfe

POESIE „Howl“ im Wettbewerb verkitscht nicht nur den Dichter Allen Ginsberg, sondern auch sein Werk

Zudem ist der Vortrag mit computeranimierten Videoclips unterlegt, die mitunter reinster Kitsch sind. Dann strömen Sonnenstrahlen aus einem Saxofon, und Engel tanzen im bunten Reigen

Kaum zu glauben, dass es bald 55 Jahre her ist, dass der damals 29-jährige Allen Ginsberg mit einer synkopierten, an Jazzrhythmen geschulten Sprache und einer für damalige Verhältnisse unglaublichen Direktheit das, was man bis dato unter zeitgenössischer Lyrik verstanden hat, völlig neu definiert hat. Im Wettbewerb der Berlinale ist jetzt ein Spielfilm zu sehen, der sich mit Ginsberg und seinem Werk beschäftigt und der denselben Titel trägt wie dessen bis heute berühmtestes Gedicht: „Howl“.

Zunächst muss man den beiden Regisseuren Rob Epstein und Jeffrey Friedman ein dickes Lob dafür aussprechen, dass sie nicht den leichten Weg gegangen sind und ein Biopic über Ginsberg gedreht haben. Stattdessen haben sie nach einer genuin eigenen Erzählform gesucht und die Handlung an drei Schauplätzen situiert: in einem Gerichtssaal, wo gerade verhandelt wird, ob „Howl And Other Poems“ als obszönes Werk verboten gehört, in einer Wohnung, in der Ginsberg (James Franco) vor einer Blümchentapete über das Schreiben referiert, und auf der ersten Lesung von „Howl“.

Leider jedoch ist es genau diese Erzählweise, die erheblich zum Misslingen von „Howl“ beiträgt. Denn es ist schlichtweg langweilig, einem Schauspieler in gefakten Interviews dabei zuzuhören, wie er über die Entstehungsgeschichte von „Howl“ redet. Die Gerichtsverhandlung ist da zumindest etwas dramatischer, doch auch hier wird in allzu vorhersehbarer Weise darüber diskutiert, was gute Literatur ausmacht und was nicht. Ebenso sehr stören die vielen missglückten Details.

Wenn Ginsberg-Darsteller James Franco „Howl“ vorträgt, tut er dies in einer Monotonie, die befürchten lässt, er könne jeden Moment einschlafen. Zudem ist der Vortrag mit computeranimierten Videoclips unterlegt, die mitunter reinster Kitsch sind. Dann strömen Sonnenstrahlen aus einem Saxofon, und Engel tanzen im bunten Reigen.

Die in Rückblicken erzählten biografischen Episoden verfremden zudem Ginsbergs Biografie, indem sie bestimmte Details betonen, andere komplett weglassen. Weggefährten wie Jack Kerouac oder Neal Cassady degenerieren zu tumben Holzköpfen. Im Verlauf der Gerichtsverhandlung sagt ein Englischprofessor den schönen Satz, man könne Poesie nicht in Prosa übersetzen. Epstein und Friedman sind mit dem Versuch gescheitert, Poesie in Film zu übersetzen. ANDREAS RESCH

■ Heute, 9.30 Uhr, Friedrichstadtpalast; 20 Uhr, International. So., 21. 2., 21 Uhr, Friedrichstadtpalast