Ökologische Restlaufzeit

Sechs Hamburger Naturschutzverbände fordern Erhalt der Umweltbehörde. Pläne für eine Neustrukturierung der Verwaltung führten zur Zerstörung der Umweltpolitik im Stadtstaat. Senat spricht hingegen von politischer Stärkung der Ökologie

Von Sven-Michael Veit

Die tägliche Eiswarnung im Winter könnte bald das einzige Lebenszeichen sein, das die Umweltbehörde noch von sich gibt. Denn nach Planungen des Senats solle sie, so die Besorgnis von sechs großen Hamburger Naturschutzverbänden, wahlweise „zerlegt“ oder „pulverisiert“, ja sogar „atomisiert“ werden. Die ohnehin schon „desolate“ Umweltpolitik in der Hansestadt würde, befürchtet Manfred Braasch, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), auf administrativem Weg endgültig beerdigt werden.

Grund für die Kritik, die BUND, Naturschutzbund (NABU), Botanischer Verein, Verein Jordsand, Naturwacht Hamburg und die Gesellschaft für ökologische Planung gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz äußerten, sind die „Leitlinien für die organisatorische Fortentwicklung“ der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) von Senator Michael Freytag (CDU). Kernpunkte dieser bislang nur behördenintern vorgestellten, aber von der taz veröffentlichten Pläne sind die Aufsplitterung des Naturschutzamtes und die künftige Zuständigkeit von Umweltstaatsrätin Herlind Gundelach (CDU) auch für das Amt für Landesplanung (siehe Kasten).

Das sei „ein Widerspruch in sich“, befindet Braasch. Denn die Landesplanung ist das federführende Amt für die Realisierung des Senatsleitbildes „Wachsende Stadt“. Und dem würde nunmehr der Naturschutz „untergeordnet“. Über Ökologie würde somit „gar nicht mehr öffentlich diskutiert“, sagt NABU-Geschäftsführer Stephan Zirpel voraus. Die Staatsrätin müsse Konflikte zwischen Natur und Stadtplanung „mit sich selbst austragen, und Senator Freytag entscheidet“ – und zwar im Zweifel „gegen die ökologischen Belange“, wie auch Horst Bertram vom Botanischen Verein befürchtet.

Umwelt- und Naturschutz seien dann „nicht mehr gleichberechtigt“ gegenüber Wirtschaft, Bau und Verkehr, sondern „nur noch eine Querschnittsaufgabe“, kritisiert Zirpel. Und das bedeute „Unterordnung und systematische Zerlegung der Ökologie“ in Hamburg. Die gemeinsame Forderung aller sechs Verbände lautet dementsprechend, „eine eigenständige Umweltbehörde mit umfassenden Kompetenzen“ zu erhalten.

Der Umweltschutz in Hamburg werde durch die Neuorganisation, die im Mai abgeschlossen sein soll, „nicht geschwächt, sondern erheblich gestärkt“, beteuert hingegen Behördensprecher Volker Dumann. Der Staatsrätin würden keine Kompetenzen entzogen, sie erhalte im Gegenteil „mit dem Amt für Landesplanung noch weitere hinzu“. Dadurch könne Hamburg künftig „moderne Umweltschutzpolitik“ machen, denn die Zeiten seien vorbei, da eine Umweltbehörde „nur der Reparaturbetrieb bei ökologischen Schäden war“. Künftig aber seien die Naturschutzbelange „bei jeder Debatte von Anfang an mit dabei“.

Diesem Ziel diene auch die Ansicht, die Naturschutzreferate in den Bezirken aufzulösen und den jeweiligen Bauämtern anzugliedern. Dann hätten Bürger „nur noch eine Anlaufstelle“, das sei „viel effektiver“, sagt Dumann: „Umwelt, Bau, Verkehr – alles aus einer Hand.“

Das bezweifelt die Opposition, die sich gestern an die Seite der Naturschutzverbände stellte. Christian Maaß (GAL) sieht „Natur und Umwelt auf der Resterampe“, für Monika Schaal (SPD) ist die „angebliche Entflechtung“ tatsächlich eine „Zerstückelung“. Umweltpolitik werde vom CDU-Senat, so Schaals Fazit, „regelrecht bekämpft“.