: WASG führt Wahlkampf gegen sich selbst
In Sachsen-Anhalt versinkt der Landesverband im Chaos. Der Bundesvorstand muss eingreifen, fordert die Linkspartei
BERLIN taz ■ Wenn er auf die Schwesterpartei in Sachsen-Anhalt zu sprechen kommt, wird der Tonfall des PDS-Landeschefs betroffen. „Offensichtlich sind sich viele WASG-Mitglieder nicht ihrer Verantwortung bewusst“, sagt Matthias Höhn. Was sollten denn die Wähler denken über chaotische Szenen wie beim WASG-Parteitag am vergangenen Wochenende? „Das bedrückt mich“, sagt der PDS-Politiker. Die WASG-Bundesspitze dürfe diesem Spektakel nicht länger zusehen. Sonst könne die geplante Parteifusion nicht klappen.
Ingobert Köhler klingt nicht bedrückt. Er hat den Chaos-Parteitag der WASG in Magdeburg am vergangenen Wochenende als neuer Vize-Landeschef verlassen. Der alte Vorstand um die Fusionsbefürworterin Dolores Rente ist gestürzt. Jetzt will Köhler gemeinsam mit dem neuen Vorsitzenden Hans-Jörg Guhla einen neuen Kurs fahren. Die WASG müsse für ihre eigenen Ziele eintreten, bevor sie sich an die Fusion mache. „Sonst würden wir uns doch aufgeben und hätten nichts erreicht.“
Zwei Monate vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat der dortige Mini-Landesverband mit seinen 150 Mitgliedern zunächst eines erreicht: eine neue Eskalationsstufe im Flügelkampf zwischen Befürwortern und Gegnern der geplanten Fusion mit der Linkspartei. Seit dem Wochenende bereichern die alten und neuen WASG-Spitzenleute den Wahlkampf fast täglich mit wüsten Angriffen auf die eigene Mannschaft. Angeblich wird bei den Genossen nicht nur gelogen und gemauschelt, man räumt den Gegner auch mal mit einem Stoß ins Blumenbeet aus dem Weg oder bedroht den Hausmeister.
Dolores Rente, gestürzte WASG-Chefin mit sicherem Platz auf der Liste der Linkspartei für die Landtagswahl, wirft den Nachfolgern vor, sich mit unlauteren Methoden an die Spitze getrickst zu haben. Ein Parteischiedsgericht soll klären, ob Guhla zu Recht als neuer Landeschef auftritt – von 153 Parteimitgliedern votierten gerade einmal 17 für ihn. Das Gericht soll auch über die Umgangsformen der neuen Spitzentruppe urteilen. Glaubt man Rente, dann hat Ingobert Köhler einen Hausmeister bedroht und sich „unter Gewaltandrohung“ die Mitgliederkartei der WASG aus der Landesgeschäftsstelle beschafft. „Der Hausmeister hat hinterher gesagt: Eigentlich hätte ich die Polizei holen müssen“, berichtet Rente. Unfug, versichert Köhler. „Der hat mir sogar noch freundlich zur Wahl gratuliert.“
WASG-Landeschef Guhla darf sich ebenfalls auf ein Parteiordnungsverfahren freuen. Denn der habe sie gewaltsam daran hindern wollen, ein unliebsames Papier zu kopieren, berichtet Rente. „Er hielt mich an den Händen fest und wollte mir das Schriftstück entreißen. Einen Kollegen hat er dabei in die Blumenbank gestoßen.“
Linkspartei-Landeschef Höhn hält weitere Gesprächsversuche mit der sachsen-anhaltischen Schwesterpartei angesichts der akuten Lage für sinnlos. Mit wem solle er reden – und worüber? Er appelliert an den WASG-Bundesvorstand, die Probleme in Ländern wie Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern nicht länger kleinzureden. „Die müssen aktiver eingreifen.“
Auch Thomas Händel vom WASG-Bundesvorstand hält die Schmerzgrenze in Sachsen-Anhalt für überschritten. Kurz vor der Wahl mit solchen „Torpedomethoden“ vorzugehen, das sei „unverantwortlich“. Nächste Woche bei einem Treffen der Landesvorsitzenden in Berlin werde man deshalb mit den Kollegen aus Sachsen-Anhalt „Klartext reden“. Den Appell der Linkspartei will er nicht kommentieren. ASTRID GEISLER