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Archiv-Artikel

Das Ende aller Sorgen

Aufschwung, Aufschwung über alles! 2006 wird das Jahr der zukünftigen Zukunft

Es gibt einen Aufschwung, denn nur so kann es aufwärts nach oben gehen!

Die Zukunft kommt näher! So lautet die frohe Nachricht des Jahres 2006, die überall die Herzen hopsen lässt. Die matte Zeit, in der die Konjunktur wie ein lahmer Mehlsack über den Boden kroch, hat endlich ein Ende. Der Aufschwung naht und bringt den Aufbruch mit sich! Die Menschen stehen wieder unter Dampf. Die Wirtschaft schwillt an. Die Stimmung wächst. Das Land ist heiß!

Die dunklen Jahre eines Pessimismus mit vollen Hosen sind definitiv abgewetzt. Jetzt zeigen alle Nasen nach vorn. Fingerdick spürt man den Glauben an den Einstieg zum Aufbruch in den Aufschwung. Alle Köpfe halten dafür zusammen. Sie wissen: Ohne Aufschwung geht es nicht aufwärts! Denn ginge es nicht aufwärts, so gäbe es keinen Aufschwung: Wie sollte es aber dann aufwärts gehen? Also gibt es einen Aufschwung, denn nur so kann es aufwärts gehen! Das haben die großen Wirtschaftsinstitute bereits wissenschaftlich-sachlich dargelegt.

Aber der Aufschwung, das hat die Politik ebenfalls mit deutlichem Zeigefinger erklärt, fliegt den Leuten nicht von selber auf den Teller. Die Kanzlerin hat es mit eigenem Mund gesagt und den Deutschen ins Nähkästchen geschrieben: In diesem Land gibt es Chancen, Chancen und Möglichkeiten, diese drei. Und die Hoffnung, dass die Chancen und Möglichkeiten auch eingefädelt und abgeerntet werden! Aber dazu sind verstärkte Anstrengungen auf mindestens allen Gebieten notwendig, folglich nötig. Nur wenn jeder einfach etwas mehr tut, als er zu leisten imstande ist, werden alle genug beitragen und Deutschland wieder unüberhörbar schnurren lassen. Dann wird Geld wieder bezahlbar sein, und die Geschäfte werden aus den Nähten sprudeln; die Krummen werden zu essen haben, die Blinden sprechen und die Lahmen hören.

Die Zukunft bis dahin ist steil, daran lässt die Bundesregierung kein Häuflein Zweifel. Aber wir, die Menschen, dürfen Zuversicht tragen, denn der Glaube an den Aufschwung kann Berge von Wissen ersetzen. Man muss nur den Willen haben: den Willen, sich etwas zuzutrauen, und den Willen, zu können, was man sich zutraut, kurzum: den Willen, zu wollen, und das Zutrauen, den Willen zu wollen auch wirklich gewollt zu willen. Wenn dann noch der Glaube dazukommt, ist es so weit – und der Optimismus ist da. Dass die Zukunft steil ist, wird so unwichtig wie ein Sack junger Katzen. Quod erat demonstrandum esse delendam!

Niemals aber sollte es schwarzes Blut geben, wenn in jener hohen Zeit, die mit Sausen naht, manches Leben weiterhin heftig eiert. Weinen Sie, lieber vom Pech überrollter Leser, Ihren Kummer einfach ab und trösten Sie sich jeden Tag mit jenen Glücksvögeln, denen es besser geht! Mehr Wirtschaft, mehr Zukunft, mehr Mehr kann es schließlich nur geben, wenn Sie weniger haben. Das ist nun mal so seit der Erfindung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, der ausschließlich für die unteren Schichten der Gesellschaft gilt.

Der Aufschwung ist ein scheues Kitz, und wenn man ihm in den Bauch beißt, bedeutet das noch lange nicht, dass er bellt. Das wusste so ähnlich schon Adam Smith, der ungekrönte Vater der Nationalökonomie. Er empfahl deshalb, dem Aufschwung besser fest an die Keulen zu fassen und mit ihm davonzufliegen.

In die nüchterne, entbeinte Prosa des 21. Jahrhunderts übersetzt, ist das ein helles Ja zum Aufschwung ohne jedes Zwinkern: Je mehr Aufschwung, desto besser, und je besser, desto eher ist es am besten! Das sollten alle deutlich in der Birne haben. Denn eines ist sicher: Der Aufschwung naht, und jeder kann schon heute getrost ein Apfelbäumchen pflanzen. Jetzt geht’s los! Oder 2007 … PETER KÖHLER