: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
In Anbetracht der bisherigen Amtsinhaber hätte Rau der SPD als Vorsitzender besser getan denn als Bundespräsident. Merkel weilt derweil auf Staatsbesuch in Israel. Erste Einigungshandlung: gemeinsame Trauer um den Verstorbenen
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Meine Prognose, die Grünen würden sich zu einer klaren Oppositionshaltung durchringen.
Was wird besser in dieser?
Ich behaupte einfach das Gegenteil meiner vormaligen Haltung und werde dank dieser Flexibilität Ehrengrüner.
Das Befinden drei Tage nach dem Tod von Rau?
Ich staune über die herzliche Reaktion auf den Tod eines Politikers, den ich eher als stilvollen Verwalter denn als wirksamen Gestalter erlebt habe.
Eine kurzer Nachruf auf den Verstorbenen bitte.
Rau blickte weit und klug voraus, als er Hochschulen gründete, wo er Zechen- und Stahlwerksschließungen ahnte. Das war sein Frühwerk als Wissenschaftsminister. Der Ministerpräsident Rau fügte dem eine bis heute unerreichte Interpretation und Verkörperung des Bindestrichs zwischen „Nordrhein“ und „Westfalen“ hinzu. Dem Lebensziel „Bundespräsident“ ordnete er zu vieles unter: Eine Kanzlerkandidatur mit dem Plan „eigene Mehrheit“ war irreal; die Koalition mit den Grünen verstand er als Strafarbeit, nicht als Chance; er klebte am Amt, statt den Düsseldorfer Hof zu bestellen; er bescherte Scharping die nötigen NRW-Stimmen, weil der im Gegenzug Raus Präsidentschaft zu unterstützen versprach. Als er es dann endlich doch noch wurde, war er, sorry, alt, männlich, konservativ: ziemlich genau das, wofür man Rot-Grün nicht gebraucht hätte. Bedenkt man, wer unterdes so alles SPD-Vorsitzender wurde, wünschte man sich im Nachhinein den Bildungs-Friedens-Vermittlungs-Rau eher auf diesem Job als auf dem Weg, den er sich mit genuin Wuppertaler Dickstschädeligkeit angetan hat.
Merkel ist in Israel. Warum?
Mit EU, USA, Russland und Israel schließt sie ihren politischen Ironwoman ab; alle Stationen waren und sind aktuell heikel.
Merkel will mit der Hamas nicht reden. Sollte sie denn?
Man muss den Palästinensern die Gelder nicht streichen, weil sie Hamas gewählt haben – man hätte sie längst streichen können, weil Israel eh kaputt bombte, was von diesen Hilfen aufgebaut wurde. Die Drohung der Wahlsieger mit einer eigenen Armee belegt nur, dass die Gegner sich im Hass zügig ähnlicher werden – eine heikle Nachricht aus deutschem Mund an Israel. Gleichwohl – wer Putin mit einem Oppositionsmeeting düpiert, sollte sich ein paar israelische Friedensgruppen schon zutrauen.
Mal eine Prognose: Wie wird die neue deutsche Sachlichkeit in Israel ankommen?
Man wird sich schnell auf gemeinsame Trauer um den Vermittler Rau einigen können.
Was kann Merkel von der Hamas lernen? Immerhin absolute Mehrheit dank Sozialprogramm.
Ups. Schicker Vergleich. Müsste der DGB Truppen aufstellen?
Im öffentlichen Dienst soll gestreikt werden, weil die Mitarbeiter bundesweit gleich behandelt werden wollen. Ist das nicht eine völlig wettbewerbsfeindliche Einstellung?
Nein, die West-Verdis wollen eben gerade nicht die im Osten üblichen vierzig Stunden ohne Lohnausgleich arbeiten. Bizarr ist dabei, dass ausgerechnet die öffentlichen Arbeitgeber der Länder in einen neuen Tarifvertrag, den Bund und Kommunen akzeptieren, erst reingestreikt werden müssen. Wenn die privaten Arbeitgeber ein schlechtes Beispiel suchen – der Staat liefert es
Massenstreiks hat es lange nicht gegeben. Ist das nicht eh ein Streitinstrument aus dem letzten Jahrhundert?
Zentral bleibt die Blüm’sche Großtat, nach § 116 AFG das Kurzarbeitergeld für mittelbar Streikbetroffene gestrichen zu haben. Seit den 80ern kann nur noch punktuell gestreikt werden, weil die Belegschaften der Zulieferbetriebe sonst abgestraft werden. Eine Gesellschaft, die sich gegen Streik immunisiert, hat kurzfristig Ruhe und lädt langfristig zu dramatischeren Protestformen ein.
Und wie geht es Borussia Dortmund?
Freut sich auf den Besuch bei „Nur noch 3 Jahre bis 50 Jahre kein Deutscher Meister“ nächste Woche.
Fragen: Thorsten Denkler