: „Es wird Erschütterungen geben“
Der Bundestag kommt um einen Ausschuss zur Entführung des Ulmers Khaled al-Masri durch den US-Geheimdienst nicht herum, prophezeit Rechtsanwalt Manfred Gnjidic
taz: Herr Gnjidic, wochenlang sprach Deutschland über den BND-Skandal. Die Entführung Ihres Mandanten Khaled al-Masri durch den CIA ist dabei ganz in den Hintergrund geraten. Ärgert Sie das?
Manfred Gnjidic: Einerseits ist das schon verwunderlich. Denn die Entführung eines deutschen Staatsbürgers durch den Geheimdienst eines anderen Staates ist eine der schlimmsten Verletzungen staatlicher Souveränität, die man sich vorstellen kann. Andererseits habe ich in diesem Fall gelernt, dass man einen langen Atem haben muss.
Sollte es einen Untersuchungsausschuss des Bundestags zu al-Masri geben?
Ich bin mir sicher, dass ein Untersuchungsausschuss zu al-Masri eingerichtet wird, wenn entsprechende Tatsachen dies rechtfertigen.
Was meinen Sie damit?
Es gibt Journalisten, die recherchieren weiter und werden wohl neue Erkenntnisse präsentieren. Da wird es noch heftige Erschütterungen geben.
Was macht al-Masri heute?
Er ist immer noch traumatisiert von den Folgen der Entführung. Eigentlich sollte er Abstand gewinnen, aber er muss seine Geschichte immer wieder erzählen und will das auch. Für die Medien ist es ja viel wichtiger, dass er sie erzählt und nicht nur ich als Anwalt.
Was ist sein Ziel?
Er will, dass von Mazedonien, wo er zuerst festgehalten wurde, und den USA anerkannt wird, was sie ihm zugefügt haben. Er will eine Erklärung, warum ihm das zugefügt wurde, vor allem, weil man ihm persönlich nie etwas vorgeworfen hat. Schließlich will er eine Entschuldigung, die auch eine Kompensation für das Erlittene beinhalten soll. Und er will, dass so etwas nie wieder vorkommt.
Sind Sie zufrieden mit der Arbeit der Münchener Staatsanwaltschaft, die den Fall untersucht?
Ja, die Staatsanwälte waren am Anfang gigantisch gut. Die haben zum Beispiel anhand eines Isotopen-Gutachtens nachgewiesen, dass der von al-Masri beschriebene Zwangsaufenthalt in Afghanistan plausibel ist. Die haben Rechtshilfeabkommen gestellt. Dass es darauf nun keine Antworten gibt, dafür kann die Staatsanwaltschaft nichts.
Auch in den USA ist ja inzwischen ein Verfahren anhängig.
Ja, das ist eine Zivilklage, die wir in East Virginia, am Sitz der CIA eingelegt haben. Wir werden dabei von der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) unterstützt. Dieser Fall, dass die CIA einen Unschuldigen entführt und über ein halbes Jahr festhält, sorgt auch in den USA für großes Aufsehen. Es ist auch der erste Fall, dass jemand gegen die Übergabe von Verdächtigen an befreundete Folterstaaten klagt. Al-Masri ist ein Präzedenzfall in der Höhle des Löwen, da wo er hingehört.
Wie stark sind Sie persönlich in diesem Fall engagiert?
Ich verwende derzeit meine ganze private Zeit dafür, wobei ich das ohne den Rückhalt meiner Frau und meiner Kinder nicht machen könnte. Ich glaube, da ist ein kleiner Staatsanwalt in mir drin, dass ich unbedingt verstehen will, was hier geschehen ist. Und ich will klar machen, dass Geheimdienste Kontrolle brauchen.
Ist das Medienecho auch Werbung für Sie als Anwalt?
Dass man bekannt wird, kann man nicht verhindern. Bisher war ich ja nur ein kleiner Provinzanwalt aus Ulm.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH