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Archiv-Artikel

Gaskonzerne müssen Wettbewerb fürchten

Die Bundesnetzagentur will heute ein neues Modell für die Netzentgelte auf dem Gasmarkt vorstellen. Verbraucher und kleinere Stadtwerke hoffen, dass die Marktmacht der Branchenführer wie Eon Ruhrgas gebrochen wird

DÜSSELDORF taz ■ In der Essener Zentrale des Marktführers Eon Ruhrgas sieht man der angekündigten „Revolution in der Pipeline“ gelassen entgegen. „Wir haben keine Wunschliste abgegeben, wir warten ab“, sagt Unternehmenssprecherin Astrid Zimmermann. Heute werden die Ruhrgas-Vorstände dennoch gebannt nach Bonn schauen – denn dort wird die Bundesnetzagentur vorstellen, nach welchem System die großen Gaskonzerne von ihren Kunden wie viel Geld für die Nutzung ihrer Netze kassieren dürfen.

Details der Verhandlungsergebnisse zwischen Netzagentur und der Gaswirtschaft sind noch nicht bekannt, doch klar ist: Die Macht der Konzerne wird eingeschränkt. „Es muss einen Paradigmenwechsel geben“, sagt der Bonner Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber, der für die SPD im Beirat der Netzagentur sitzt. Künftig sollen die Marktführer nur noch „faire Gewinnmargen“ für die Leitung von Gas durch ihre Pipelines verlangen dürfen.

Was fair ist, ist jedoch Verhandlungssache. „Den Konzernen muss genügend Geld bleiben, um noch in die Infrastruktur investieren zu können. Das ist eine Gratwanderung“, sagt Kelber. Die Positionen der Marktführer und die der kleineren Anbieter, die sich mehr Wettbewerb wünschen, liegen weit auseinander. Strittig vor allem: Sollen die Netzentgelte weiter wie bisher mit jedem Betreiber einzeln verhandelt werden, oder können die Stadtwerke künftig „Fahrkarten“ für bestimmte Tarifzonen lösen – egal, auf welchem Weg Gas etwa von Bielefeld nach Duisburg geleitet werden soll?

Die meisten Stadtwerke favorisieren die zweite Variante. Sie erhoffen sich dadurch eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Großkonzernen, die bislang die Preise recht willkürlich diktieren konnten. Bis zu zehn Prozent günstiger könnte Gas werden, wenn die Netzentgelte fallen, hatte etwa Aachens Stadtwerke-Chef Dieter Attig vor kurzem im taz-Interview erklärt.

Eine völlige Kehrtwende ist von der heutigen Entscheidung der Bundesnetzagentur allerdings noch nicht zu erwarten. Wahrscheinlich ist, dass sich die Konfliktparteien zunächst auf einen Kompromiss einigen werden. Verbandsvertreter unabhängiger Energieunternehmen äußerten deswegen schon gestern Bedenken, dass sich eine wirkliche Marktöffnung noch weiter verzögern könnte.

Doch selbst wenn noch nicht alle Forderungen nach mehr Wettbewerb erfüllt werden, sehen Verbraucherschützer in der heutigen Entscheidung einen positiven Richtungswechsel. „Es wird jetzt eine Entwicklung in Gang gesetzt, die nicht mehr umkehrbar ist“, sagte Aribert Peters, der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher. Wichtig sei nun, dass die Stadtwerke die zu erwartenden niedrigeren Einkaufspreise nicht selbst einbehielten, wie dies in vielen Fällen bei der Liberalisierung des Strommarktes geschehen sei. „Der Gewinn muss an die Kunden weitergegeben werden“, sagte Peters der taz. KLAUS JANSEN