: Die Fleetenkieker aus der Kammer
Das Quartier zwischen Steinstraße und Speicherstadt will die Handelskammer neu erfinden. Als „Fleetviertel“ soll das Areal Wohnungen für 5.000 Menschen bieten und die City mit der Hafencity verbinden. Das große Problem dabei ist der Verkehr
Von SVEN-MICHAEL VEIT
Wenn hanseatische Kaufleute poetisch werden, klingt das so: „Ein Quartier wird zum Scharnier“, reimte gestern die Handelskammer. Um sodann ihre ganz und gar prosaischen Vorstellungen über die „Belebung“ des Areals zwischen Steinstraße und Hafencity zu präsentieren. Das Quartier sei durch Büros geprägt und somit „entwohnt“ und verfüge über eine nur geringe Aufenthaltsqualität, vor allem abends. Das aber müsse geändert werden, befand Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer.
Als Erstes müsse ein attraktiver Name her für die Gegend, welche „die Wachstumspole“ City und Hafencity verbinden müsse, statt sie zu trennen. Als „Fleetviertel“ könne das Quartier „mit seinen zahlreichen Kanälen“ eine „zentrale Funktion für eine organische Entwicklung der Innenstadt im 21. Jahrhundert“ spielen, findet Schmidt-Trenz.
Konkret müsse eine Reihe von „Schlüsselprojekten“ realisiert werden, damit die Hafencity als integrativer Bestandteil mit der bisherigen Innenstadt verbunden werden könne, fordert die Kammer (siehe Kasten). Übergeordnete Bedeutung erkennt die Kammer dabei vor allem zwei Maßnahmen zu.
Eine „Überseemeile“ solle von der Mönckebergstraße am Domplatz entlang via Brandstwiete und St. Annen zum Magdeburger Hafen führen, dem projektierten Herz der Hafencity. Das ist so neu nicht, denn diese Verbindung zwischen Jungfernstieg und dem neuen Viertel hinter der Speicherstadt galt bereits dem rot-grünen Senat als wichtige Achse in der Hamburger Stadtentwicklungspolitik.
Zudem müssten die vorhandenen Plätze „aufgewertet“ werden, fordert Schmidt-Trenz. Unter dem Burchardplatz solle eine Tiefgarage gebaut werden, oben drauf könnten Biergärten sowie ein überdachter Mode- und Antiquitätenmarkt für mediterranes Flair sorgen. Ergänzend müsste der benachbarte Durchgang unter dem Chilehaus „attraktiv“ in die Speicherstadt überführt werden: Klappbare Bühnen für Kleinkunst und auch „Laser-Spaliere“ hält die Kammer für vorstellbar.
Das meiste sei natürlich nur „mit privaten Investoren umsetzbar“. Deshalb müssten neue Bebauungspläne her, ein Quartiersmanager und „ein effektives Standortmarketing“, und gegen den einen oder anderen „Business Improvement District“ (BID) hat die Kammer selbstredend auch nichts einzuwenden.
BIDs aber würden zu einer „weiteren Privatisierung öffentlichen Raumes führen“, kritisiert der grüne Stadtentwicklungspolitiker Claudius Lieven. Der Neue Wall wird zurzeit zu einer solchen, von den Geschäftsinhabern betriebenen Konsummeile umgestaltet. Kein Zufall also, dass die Kammer vorigen Freitag unter anderem dort ein Bettlerverbot forderte (taz berichtete).
Zwar sei manches in dem Kammer-Papier „als Diskussionsanstoß akzeptabel“, kommentiert Lieven, die Umleitung des Autoverkehrs in die Hafencity aber sei „unrealistisch“ und „widersprüchlich“. Dadurch würde zwischen Innenstadt und Hafencity „noch eine zweite Autoschneise geschlagen“, findet auch der GAL-Verkehrsexperte Jörg Lühmann. Bei der SPD hingegen renne die Kammer „offene Türen“ ein, erklärte ihr Stadtentwicklungspolitiker Jan Quast.
Oberbaudirektor Jörn Walter will sich die Kammer-Vorschläge genauer ansehen. Im Grundsatz aber sehe er „das ähnlich“: Das Viertel biete „große Chancen“.