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Archiv-Artikel

Saudische Läden ohne dänische Waren

Nach der Veröffentlichung von Karikaturen über den Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung reißen die Proteste islamischer Staaten nicht ab. Erste Botschafter werden aus Kopenhagen abberufen. Dänemarks Regierung weist Kritik zurück

VON REINHARD WOLFF

Das Außenministerium in Kopenhagen hat gestern wegen erhöhter Sicherheitsrisiken eine Reisewarnung für DänInnen ausgegeben, die für nahezu alle Länder zwischen Algerien und Pakistan gilt. Aus Protest stürmten bewaffnete Palästinenser in Gaza-Stadt ein Büro der EU. Vor den diplomatischen Vertretungen Dänemarks in Kuwait und Riad wurde am Wochenende demonstriert. Saudi-Arabien und Libyen haben ihre Botschafter aus Kopenhagen abberufen. Mehrere Golfstaaten und Ägypten könnten diesem Beispiel folgen.

Die Regierungen Syriens und des Iran schickten einen offiziellen Protest nach Kopenhagen. Die Organisation der Islamischen Konferenz ließ durch ihren Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu wissen, verschiedene Mitgliedsländer wollten eine UN-Resolution gegen Dänemark sehen. Aus mehreren Orten, u. a. aus dem Westjordanland, wurde das Verbrennen dänischer Nationalfahnen gemeldet. Auf Pressefotos dient ein „Danebrog“ vor einem Haus in Nablus demonstrativ als Fußabtreter.

Dänische Lebensmittel verschwanden aus Supermärkten in Saudi-Arabien. Zum Boykott anderer Made-in-Denmark-Produkte wurde in verschiedenen Ländern der arabischen Welt aufgerufen. Allein der Molkereikonzern Arla verliert täglich über 1 Million Euro. Die dänische Wirtschaft befürchtet einen umfassenden Boykott im gesamten Nahen und Mittleren Osten.

Anlass der Proteste sind 12 Zeichnungen. Wie stellen Sie sich den Propheten Mohammed vor? Das hatte die in Århus erscheinende Jyllands-Posten (JP), Dänemarks auflagenstärkste Regionalzeitung, Karikaturisten gefragt und das Ergebnis in ihrer Wochenendbeilage vom 30. September abgedruckt. Dort konnten die LeserInnen einen Mohammed mit einer Bombe im Turban oder einen Propheten mit Krummsäbel und zehn verschleierten Frauen im Schlepptau urkomisch finden. Oder eben nicht und sich über eine solche Geschmacklosigkeit beklagen.

Die Darstellung Gottes oder des Propheten Mohammed ist im Islam nicht erlaubt. Für gläubige Muslime ist sie Blasphemie, und viele lesen aus dem Koran die Verpflichtung heraus, gegen solches Tun aktiv vorzugehen. Prompt gab es zunächst einheimische Proteste mit einer Erklärung von sechzehn dänischen muslimischen Organisationen gegen die Zeitung. Diese „trampelt bewusst auf den ethischen und moralischen Werten des Islam herum mit dem Ziel, die Gefühle von Muslimen zu verletzen und diese und ihre religiösen Symbole lächerlich zu machen.“

Es folgten eine Demonstration, Todesdrohungen gegen Karikaturisten und JP-Redakteure und ein von der Staatsanwaltschaft eingestelltes Ermittlungsverfahren. Die übrigen dänischen Medien versuchten einen Spagat zwischen der Verteidigung des Rechts auf Veröffentlichung solcher Karikaturen und der Kritik hieran: Man müsse nicht alles machen, was man dürfe. Zweifel überwogen jedoch. Ohne Rücksicht auf die Folgen habe eine Zeitung sich ihre Skandalgeschichte zusammengebastelt, weil das wohl gut für die Auflage sei.

Die Regierung in Kopenhagen wies von Anfang an jede Kritik zurück. Als die Botschafter von elf Staaten der islamischen Welt protestierten, verwies Premier Anders Fogh Rasmussen auf die Pressefreiheit. Dass er das mit keiner Äußerung der Distanzierung verband und damit zur Eskalation der Proteste beigetragen habe, warfen ihm gestern die linken Oppositionsparteien vor.

Jyllands-Posten fand sich mittlerweile zu einer in Arabisch veröffentlichten Entschuldigung bereit. Man bedauere es, sollte man die religiösen Gefühle von Muslimen verletzt haben.

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