: Israels neue Freundin
Merkels Antrittsbesuch wurde in Israel als gelungen bewertet. Bei ihrem Gespräch mit Palästinenserpräsident Abbas ging es weniger herzlich zu
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAULund CHARLOTTE MISSELWITZ
Der Kantor drehte auf, um mit seiner Stimme die vor den Toren der Erinnerungshalle für die Holocaustopfer lachenden Jugendlichen zu übertönen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ sich nichts anmerken. Sie bestand ihre Prüfung mit Auszeichnung, nahm sich viel Zeit für die Erklärungen von Awner Schalew, dem Leiter der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem, blieb immer wieder stehen, um die Eindrücke der schrecklichen Erinnerungsstücke in sich aufzunehmen und überzog den auf lange zwei Stunden angesetzten Programmpunkt „Holocaust“ ohne Rücksicht auf ihre zeitlich sonst enge Besuchsagenda.
Es war ein „ausgefülltes Programm“, resümierte sie ihren Besuch auf israelischer Seite, deutlich befriedigt über das „Interesse“ im Gastland an „lebendigen Beziehungen“ zwischen den beiden Nationen. Zwischen ihr und dem amtierenden israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert bestand offenbar sofort gegenseitige Sympathie. Die beiden Regierungschefs umarmten sich vor laufenden Kameras während der Pressekonferenz und nach dem gemeinsamen Abendessen. Olmert betonte seine Hoffnung, dass aus dem ersten Treffen „eine tiefe Freundschaft“ werden könne.
Die auflagenstärkste Tageszeitung Jediot Achronot kommentierte entsprechend unter der Überschrift „Eine neue Freundin“ den Besuch als „herzlicher und freundlicher, als wir es bisher kannten“. Aus israelischer Sicht war der Besuch, der ganze zwei Monate nach der Wende in Berlin kam, perfekt. Mit Blick auf die atomare Bedrohung von Seiten des Iran gibt es „nicht den geringsten Unterschied in der Einschätzung und Schlussfolgerung“, so Merkel, die nach einer „konzertierten Aktion“ verlangte, um die nukleare Bedrohung zu verhindern.
Besonders aufmerksam beobachtete die israelische Seite die Haltung des ersten Staatsgastes zur Wende in den Palästinensergebieten. Vergangene Woche gewann die extremistische Hamas die überragende Mehrheit der Parlamentssitze. Merkel garantierte, dass die Bundesrepublik die Aufbaugelder an die palästinensische Führung einfrieren werde und dass es keine Kontakte zur Regierung der Hamas geben werde, solange nicht die drei zuvor von der israelischen Regierung formulierten Bedingungen realisiert worden seien: Die Anerkennung des Staates Israel, das Ende der Gewalt und die Anerkennung der bisher erreichten Abkommen. Olmert warf darauf ein, dass Israel den Transfer von internationalen Geldern an die Hamas ohnehin nicht zulassen werde.
Deutlich weniger herzlich verlief das Gespräch der Bundeskanzlerin mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Beide betonten zwar die „lockere Atmosphäre“, dennoch ließ Merkel keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Forderungen. Wichtig sei, rasch Klarheit über den Fortgang des Friedensprozesses zu gewinnen. „Dort, wo unsere Bedingungen eingehalten werden, werden wir den Prozess auch unterstützen“, sagte sie, doch zunächst müsse man abwarten, was passiert.
Abbas will sich innerhalb der kommenden zwei Wochen mit Vertretern der Hamas treffen, um über die Regierungsbildung zu beraten. Auf die Frage, ob er einen Rücktritt erwäge, antwortete Abbas: „Ich bin vor einem Jahr mit einer klaren politischen Zielvorstellung vom palästinensischen Volk gewählt worden. Ich sehe nicht, was mich daran hindern sollte, meine Mission fortzusetzen.“