Vom Leib erlöst

EUTHANASIE Gerda Engelbracht und Raimond Reiter berichten vom Schicksal der Bremer Kinder

■ beschäftigt sich mit Psychiatriegeschichte und gründete die Agentur „Kulturkonzepte Bremen“

taz: Weiß man eigentlich, wie viele Kinder aus Bremen in der Nazizeit der Euthanasie zum Opfer gefallen sind?Gerda Engelbracht: Nicht genau. 31 Kinder sind in die Kinderfachabteilung Lüneburg gestorben sind, es sind auch Kinder im Zusammenhang der Auflösung des Hauses Reddersen in andere Kliniken verlegt worden und dort gestorben. Es könnte sein, dass Kinder in anderen Kinderfachabteilungen gestorben sind. „Kinderfachabteilung?“ Das war das Wort der Nazis für Orte, an denen Kinder als „unwertes Leben“ ermordet wurden. Diese Abteilungen waren geheim, es wurde damals gesagt, den Familien sollte das Leid erspart werden. Haben die Eltern ihre Kinder freiwillig dahin gegeben?Auch. Man muss sich klarmachen, dass es damals einen ungeheuren öffentlichen Druck gegen Menschen mit Behinderungen gab und keinerlei finanzielle Unterstützung. In den Unterlagen gibt es durchaus Briefe von Eltern, die schreiben: Wo kann ich mein Kind von seinem Leib zu erlösen? Haben sich überlebende Geschwister bei Ihnen gemeldet? Zum Beispiel einer, dessen Schwester ermordet worden ist. Er war sieben Jahre als damals, seine Schwester war einen Tag nach dem Abtransport gestorben. Es hatte den starken Verdacht, aber keine letzte Klarheit – bis zu unserer Arbeit. Wie sind sie auf diese Akten gestoßen? Raimond Reiter, der heute Abend auch kommen wird, erforscht die Geschichte der Lüneburger Fachabteilung und hat den Hinweis auf den Transport aus Bremen gefunden. Interview: kawe

Haus Im Park, 19.30 Uhr: Verbrechen an Bremer Kindern im Nationalsozialismus