Der Verlierer heißt: Otto Normalstudent

Die Elitemillionen gehen in die Forschung. Für die steigende Zahl der Stino-Studis Geld zu organisieren wird schwerer

Bald haben die Suchscheinwerfer noch den letzten Winkel des Bildungssystems ausgeleuchtet. Was Kindergärten wirklich sein sollten, wissen neuerdings sogar Fraktionsvorsitzende und Krisenmanager im Kanzleramt. Exzellente Doktoranden sollen die neuen Elite-Leuchttürme erklimmen, für die 1,9 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Die Schulen sind seit Pisa ohnehin in aller Munde. Nur eine Lerngruppe erfreut sich an ihrem Schattendasein: der gemeine Student, der in knapp zwei Millionen Exemplaren das Land bevölkert. Das Problem: Es gäbe gute Gründe, die Studierenden wieder in den Fokus zu nehmen als den Überträger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Innovation schlechthin – aber scheinbar verlassen die Republik im entscheidenden Augenblick die Kräfte. Für die Studis ist nicht mehr viel von der Emphase übrig, welche die deutschen Bildungsreformer ergriffen hat. Warum? Der Bund darf sich um die Studis nicht mehr kümmern. Die Länder wollen es nicht. Und alle anderen können es nicht recht – weil ihn schlicht das Kleingeld fehlt.

Denn so viel ist klar: Der Student 2012 wird teuer, sehr teuer sogar. Die Studierendenzahlen, so die Vorausschau, steigen in den nächsten Jahren um 300.000, doch die Hochschulen sind schon jetzt überlastet. „Wir haben die Hochschulen zu wenig ausgebaut“, lautet die Wehklage aus der Wissenschaftspolitik. Rund 3 Milliarden Euro, so seriöse Schätzungen, sind nötig, um die verkommene deutsche Hochschulausbildung auf Vordermann zu bringen. Über einen Hochschulpakt zur Bewältigung der steigenden Studiennachfrage schwafeln zwar alle. Aber keiner weiß, woher die Kohle kommen soll, um nach der Spitzenförderung an den Unis auch die der Breite ins Auge zu fassen.

Das Problem der ordinären Studiosi wird interessanterweise durch die Exzellenzinitiative nicht verbessert, sondern verschlimmert. Erstmals in der Geschichte wird nämlich Bundesgeld nicht mit der Gießkanne über alle Hochschulen verteilt, sondern in ganz bestimmte Elitezentren gesteckt. Und dort hat man begreiflicherweise wenig Interesse an Otto Normalstudent.

Zusätzlich soll nun auch noch die Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) auf die so genannte Vollkostenfinanzierung umgestellt werden. Was sich so kompliziert anhört, ist zunächst mal ganz einfach: Mehr und bessere Forschung bringt auch mehr Geld. Für die Stino-Unis hat das einen äußerst unangenehmen Nebeneffekt: Es bedeutet, dass für sie aus dem von Bund und Ländern streng paritätisch zusammengestückelten Geld immer weniger übrig bleibt. Es gibt inzwischen Schaubilder und Grafiken, die das Problem wunderbar aufzeigen: Wo in den letzten Jahren Studienplätze abgebaut wurden, wo die Wissenschaftspolitik auf Forschung statt auf Lehre setzte, dahin fließen nun die Elitemillionen. Motto: Weniger Studis bringt mehr Geld.

Inzwischen gibt es plausible Szenarien. Die Verlierer sind soziologisch jeweils die Normalstudierenden – weil für ihre zusätzlichen Professoren und Mentoren niemand aufkommen mag. Geografisch schneiden der Norden und der Osten schlecht ab. Denn das Gros der Elitemittel wird, so viel steht fest, in den Süden fließen. Alle Akteure kennen das Problem; aber es wirklich anzupacken ist bislang niemand bereit. CHRISTIAN FÜLLER