: Abschiebung nach Aktenlage
MIGRATION Mit 27 Jahren soll ein junger Mann in die Türkei abgeschoben werden, obwohl er bereits mit 16 kam. Gegen ihn spricht ein falsch beantragtes Papier
Der Fehler, der nun das gesamte Leben von Ümit Biyikli ändern soll, liegt elf Jahre zurück. Es ist der Fehler seines Vaters. Der lebte damals bereits in Deutschland und Biyikli, beinahe 17 Jahre alt, noch in ihrer Heimat Türkei. Weil ihm Biyikli folgen sollte, beantragte sein Vater ein Touristenvisum – denn Kinder dürfen mit ihren Eltern problemlos in die EU ziehen. Um die Papiere kümmere er sich später, dachte er. Nur mit den deutschen Behörden hatte er nicht gerechnet. Heute ist Biyikli 27 Jahre alt und muss zurück in die Türkei.
Die Härtefallkommission der Bürgerschaft hat sich gegen ein Aufenthaltsrecht für Ümit Biyikli entschieden. Das Gremium, in dem Abgeordnete aller Fraktion hinter verschlossenen Türen über Einzelschicksale entscheiden, war seine letzte Chance. Seit er mit dem falschen Visum kam, war er bloß geduldet. Er besuchte die Realschule und die Handelsschule – aber bekam keine Arbeitserlaubnis. 2008 sollte er das erste Mal ausreisen, aber Biyikli blieb, ohne Papiere.
Seit 2010 ist er wieder geduldet und klagt sich durch die Instanzen. Doch die Zeit seines illegalen Aufenthalts spricht nicht für ihn. Der Härtefallkommission legte er zwei Ausbildungsangebote vor, damit hätte er Einzelhandelskaufmann werden können oder Koch. Mit 17 Dokumenten belegte Biyikli außerdem, dass er nie Geld vom Staat genommen hat, dass die Betreuer seines fünf Jahre alten Bruders fürchten, seine Abreise zerstöre die Familie. Weil Biyikli besser Deutsch spricht als seine Eltern und sich um das Kind kümmert. Doch die Politiker hätten sich einstimmig für ihn entscheiden müssen. Daran scheiterte es.
Dass jemand so viele Unterlagen einreicht und trotzdem scheitert, habe er selten erlebt, sagt sein Anwalt Claudius Brenneisen. Die Möglichkeit, gegen die Entscheidung zu klagen, gibt es nicht. Nach taz-Informationen wird Biyikli zwar nicht abgeschoben, aber er muss ausreisen. So kann er künftig zumindest seine Familie in Deutschland besuchen. Denn in der Türkei hat er nichts – außer gültigen Papieren. KLU