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Archiv-Artikel

„So waren wir nicht!“

Antifaschistischer Widerstand im Hamburg der 30er Jahre. Der DEFA-Film „Dein unbekannter Bruder“ von Ulrich Weiß nach dem Roman des Hamburger Kommunisten Willi Bredel läuft im Abaton

Spätes Misstrauen gegenüber der eigenen HaltungKeine Unterstützung durch die Ideologen der Partei

von Tim Gallwitz

Um die Schätze des DDR-Filmmonopolisten DEFA dem Publikum zugänglich zu machen, bedarf es heute offenbar der Hilfe namhafter Institutionen des Auslands. Das Museum of Modern Art in New York präsentierte vergangenes Jahr in Zusammenarbeit mit der DEFA Film Library der University of Massachusetts und dem Goethe-Institut die Retrospektive Rebels with a cause mit über zwanzig DEFA-Streifen, die nun auch Hamburg erreicht hat. Im Rahmen dieser Filmreihe, bei der bis zum 7. März ausgewählte Filme aus der Zeit von 1957 bis 1990 vorgeführt werden, läuft auch das selten gezeigte Widerstandsdrama Dein unbekannter Bruder aus dem Jahr 1982.

Der Protagonist Arnold Clasen, dargestellt von Uwe Kockisch, leistet Widerstand. Mit Pinsel und Farbe schreibt er Parolen an Wände, wird verraten, erwischt, verhaftet. Nach seiner Entlassung arbeitet er als Filmvorführer und schließt sich wieder dem kommunistischen Untergrund an. Das Augenmerk des Films liegt dabei weniger auf Klassenkampf, konspirativer Action, aufopferungsvoller Tapferkeit und Duellen mit den faschistischen Schergen, sondern Angst, Misstrauen und Isolation in einer fremden und feindlichen Umgebung bestimmen den meist grauen Alltag des Widerständlers.

„Ich wollte nicht so tun, als sei ich dabei gewesen“, erklärte Regisseur Ulrich Weiß, Jahrgang 1942, zu seiner Perspektive auf den kommunistischen Widerstand in den ersten Jahren der Nazi-Diktatur in Hamburg. Dabei gewesen ist aber Willi Bredel. Der Sohn eines Zigarrendrehers aus dem Karolinenviertel wurde früh Mitglied der KPD, war Redakteur der Hamburger Volkszeitung und wegen Beteiligung am Hamburger Aufstand 1923 zwei Jahre im Gefängnis. Bredel kam am 1. März 1933 für 13 Monate ins KZ Fuhlsbüttel und emigrierte nach seiner Entlassung in die UdSSR. Er schrieb im Exil den viel beachteten Roman Die Prüfung über seine KZ-Erlebnisse und Dein unbekannter Bruder über den Widerstand.

Bredels Romane wurden jenseits des sozialistischen Horizonts wegen ihrer holzschnittartigen Charaktere, der Referatssprache und der trotzkistischen Methode kritisiert und wären wohl einige Jahre zuvor stramm im Stil des sozialistischen Realismus adaptiert worden. Ulrich Weiß hingegen bedient sich lediglich Bredel‘scher Motive, verlässt aber dessen geradlinige Narration und entwirft ein klaustrophobisches Psychogramm der Illegalität. In stark stilisierten und metaphorisch angereicherten Einstellungen setzt der Regisseur ein fast autorenfilmerisches Primat des Bildes gegen Bredels konventionelle Erzählung durch.

Entgegen der Vorlage lässt Weiß den Verräter (Michael Gwisdek) auch aus den eigenen Reihen kommen. Ein offensichtlicher Bruch mit der Überzeugung, dass ein aufrechter Kommunist gar nicht anders kann, als den Klassenfeind zu bekämpfen. Hier schimmert auch das Misstrauen der nachgeborenen Generation sich selbst gegenüber durch, gipfelnd in der Frage, wie wohl das eigene Verhalten in jener Zeit gewesen wäre. Eine fehlende Gewissheit, sich konsequent gegen das herrschende Regime zu stellen, das man als falsch betrachtet, und das in letzter Konsequenz ja auch das aktuelle sein kann. Hier sind vermutlich die Gründe zu finden, die Weiß eine operative Personenkontrolle der Stasi einbrachten und überdies Versuche, die Tendenz des Films zu verändern.

Nach der erfolgreichen Vorführung von Dein unbekannter Bruder beim Max Ophüls Festival in Saarbrücken, erhielt der Film sogar eine Einladung nach Cannes. In der DDR jedoch war das Echo neben wenigen euphorischen Besprechungen vorwiegend ablehnend. Die Kritik antifaschistischer Widerstandskämpfer kulminierte im Schlagwort „So waren wir nicht“.

Wegen der fehlenden Unterstützung der Partei-Ideologen musste Dein unbekannter Bruder nach nur kurzer Laufzeit aus dem Verleih genommen werden, und auch die Einladung nach Cannes wurde ausgeschlagen. Unter diesen Umständen war an den Hauptpreis des DDR-Spielfilmfestivals nicht zu denken, allerdings erfand man dort kurzerhand Spezialtrostpreise für Kamera und Szenenbild.

So 5.2.,13 Uhr sowie Mo 6.2., 17 Uhr, Abaton