: Grunzband im Kuhkaff
Die Doku „Heavy Metal auf dem Lande“ (22. 50 Uhr, Arte) porträtiert eine Subkultur, die Arbeitsplätze schafft
Im kleinen Donzdorf am Rande der Schwäbischen Alb weiß inzwischen jeder, dass es in Wirklichkeit weniger die „Fasnet“ ist, für die das trostlose Kuhkaff „weit über den Landkreis hinaus bekannt ist“, wie Bürgermeister Martin Stölzle auf der Donzdorfer Website stolz verkündet. Sondern das weltweit erfolgreichste unabhängige Metal-Label, das ausgerechnet hier seinen Sitz hat. Die Firma schafft Arbeitsplätze und hat dafür gesorgt, dass Typen mit zotteligen langen Haaren und T-Shirts mit abstrusen Motiven zum Dorfcharakter gehören. Headbangen neben dem Misthaufen, Blackmetal-Fans in der Dorfkirche: auf solchen Gegensätzen baut die Dokumentation von Andreas Geiger auf, um dann zu belegen, wie gut diese koexistieren können.
Dabei überrascht es gar nicht mal so sehr, dass eine Firma für extremen Metal in der schwäbischen Einöde angesiedelt ist. Harter und härtester Rock konnte auf dem Land schon immer besser gedeihen als in der Großstadt. Die Tristesse der Provinz – das zeigt auch die legendäre TV-Doku „Trash Altenessen“ aus dem Jahr 1989 über die Ruhrpottmetaller Kreator – ist ein wichtiger Motor für die im Metal verhandelte Wut und den Hass. Metal braucht auch nicht die Widersprüche der Großstadt, seinen Themen wie Diesseitsflucht und Sagenwelten kommt man auf dem Lande sogar näher als in der U-Bahn.
Der Film arbeitet durch die Dokumentation einer Subkultur, die fest im bürgerlichen Umfeld verankert ist, recht gelungen die Widersprüche des Metal an sich heraus. Wie weit her ist es wirklich mit dessen tabubrecherischem Gestus? Führt das Hören dieser Teufelsmusik dazu, selbst dem Leibhaftigen zu verfallen? Zumindest in Donzdorf scheint niemand das Bedürfnis zu haben, die Dorfkirche anzuzünden. Auch der Pfarrer war schon bei der populären Metallern von Nuclear Blast und wirkt vor der Kamera recht beruhigt. Und der Metaller Oliver Barth, der beim Jammen mit seiner Grunzband im Übungskeller immer „Wut! Wut!“ brüllt, ist sonst ein gemütlicher Familienvater.
Alles nicht so schlimm also. Einem anderen Problem geht der Film jedoch nicht nach: „Unheilige Allianzen“, ein eben erschienenes Buch über die Verbindungen von Black Metal zum Neonazismus, zeiht Nuclear Blast, auch finstersten Nazi-Dreck zu verkaufen. Ob der Dorfpfarrer davon weiß? ANDREAS HARTMANN