: Warnstreiks in Ämtern und Kitas
Ver.di lässt die Muskeln spielen: Allein in Niedersachsen demonstrierten gestern 20.000 Angestellte des öffentlichen Dienstes gegen längere Wochenarbeitszeiten
HANNOVER taz ■ Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die öffentlichen Arbeitgeber in Ländern und Kommunen stehen vor einer Kraftprobe. Gestern legten allein in Niedersachsen knapp 20.000 Beschäftigte die Arbeit nieder. An der größten Demonstration gegen eine Arbeitszeitverlängerung beteiligten sich in Hannover nach Ver.di-Angaben 9.500 Streikende.
In knapp 30 anderen niedersächsischen Städten und Gemeinden fanden zeitgleich weitere Demos und Protestkundgebungen statt. Ab heute sind auch in Niedersachsen die Ver.di-Mitglieder aus Landes- und Kommunaldienst zur Urabstimmung aufgerufen. In Baden-Württemberg läuft die Urabstimmung bereits und dauert bis Ende der Woche. Damit stehen zum ersten Mal seit 1992 wieder unbefristete Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst ins Haus.
In Hannover blieben gestern nicht nur die Kitas geschlossen. Landesweit beteiligten sich auch Beschäftigte von Müllabfuhr, Stadtreinigung und Krankenhäusern an dem Ausstand.
Für die Beschäftigten der niedersächsischen Kommunen war gestern die Friedenspflicht ausgelaufen. Der kommunale Arbeitgeberverband Niedersachsen hatte wie seine Schwesterverbände in Baden-Württemberg und Hamburg die Arbeitszeitregelung des Tarifvertrages mit Ver.di gekündigt. Die Kommunen wollen die Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden auf 40 Stunden verlängern.
Auf einer Kundgebung in Hannover rief Ver.di-Chef Frank Bsirske gestern nicht nur zu einem Ja zum Arbeitskampf bei der Urabstimmung auf. Er warnte auch vor dem Verlust von 250.000 Arbeitsplätzen, die eine Arbeitszeitverlängerung im gesamten öffentlichen Dienst mit sich bringen würde. Der Gewerkschaftsvorsitzende wandte sich zudem gegen eine „Amerikanisierung der Arbeitsverhältnisse“ in Deutschland, bei der die Arbeitnehmer zu Befehlsempfängern würden.
Die Arbeitgeber zeigen sich bislang von den Protesten unbeeindruckt. Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring, zugleich Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder (TDL), bezeichnet die Anliegen der Gewerkschaft als unbezahlbar.
Die Tarifgemeinschaft, die bei der Arbeitzeitverlängerung auch für die Kommunen letztlich den Ton angibt, will sich in drei Wochen zu einem Spitzengespräch mit Ver.di treffen. Alle vorbereitenden Gespräche in Arbeitsgruppen hat die Gewerkschaft allerdings abgesagt.
JÜRGEN VOGES