: Schon wieder auf Brautschau
An der Börse machen Gerüchte über mögliche Käufer für ProSiebenSat.1 die Runde
BERLIN taz ■ Der Nächste, bitte! Wer wird jetzt die Mehrheit bei ProSiebenSat.1 übernehmen, nachdem Springer nicht mehr will? Denn dass Nochbesitzer Haim Saban noch immer seine Anteile verkaufen will, bezweifelt eigentlich niemand. Zumindest nicht die Händler an der Börse, bei denen ProSiebenSat.1-Aktien gestern gefragt waren und zwischenzeitlich um fast fünf Prozent an Wert gewannen. „Jetzt rechnen alle damit, dass neue Gebote kommen, die höher sind als das von Springer“, begründete ein Händler.
Doch wer käme in Frage? Auf ein Geschäft mit einem deutschen Medienkonzern wie Bauer oder der WAZ-Gruppe dürfte Saban mit Blick auf ein erneut drohendes Veto des Bundeskartellamtes keine Lust haben. Zumal zum Beispiel Bauer über seinen Sprecher stets nur von einem „theoretischen Interesse“ an einzelnen Sendern spricht und die anderen deutschen Verleger sich sehr bedeckt halten.
Es ist also wahrscheinlicher, dass der zukünftige Besitzer der Sendergruppe erneut aus dem Ausland kommt. Aus Frankreich, zum Beispiel: Der größte französische Privatsender TF 1, hierzulande mit seinem Sender Eurosport vertreten. Praktischerweise sitzt Saban bei den Franzosen im Verwaltungsrat. Allerdings soll TF 1 vor allem an ProSieben interessiert sein und nicht unbedingt an der ganzen Gruppe.
Aber auch andere Namen schwirrten gestern wieder über die Börsenticker. Die holländische SBS Broadcasting zählt dazu, mit ihren 16 Free-TV-Stationen, 21 Bezahlkanälen sowie 11 Radiostationen in ganz Europa vertreten. Und geleitet wird der Sender von Markus Tellenbach, früher mal Chef bei Premiere und daher vertraut mit Münchener Medienkonzernen.
Weiterhin im Angebot in der Gerüchteküche auf Seiten der Medienwelt sind derzeit die US-Medienkonzerne Viacom, Disney und NBC, die schon alle im deutschen TV-Markt aktiv sind. Doch auch reine Finanzinvestoren wie KKR, Apax oder Permira könnten Interesse an Haim Sabans Anteilen haben.
Bei ProSiebenSat.1 gab sich der Vorstandsvorsitzende Guillaume de Posch gestern nach außen gelassen. „Wir werden die Gruppe aus eigener Kraft entwickeln“, „auf das operative Geschäft konzentrieren“ – was man als Unternehmenschef so sagt, wenn die geplante Hochzeit geplatzt ist. Doch die erneute Hängepartie bereitet dem Sender auch Probleme. Eigentlich müsste er weiter wachsen und neue Geschäftsideen entwickeln und dafür neue Partner suchen.
Denn die klassische Fernsehwerbung, mit der die Sender noch immer das meiste Geld verdienen, ist ein schrumpfender Markt. Außerdem drängt die Zeit bei Investitionen in die digitale TV-Zukunft, wenn die Gruppe hier nicht ins Hintertreffen geraten will.
Zumal ja auch mit der Deutschen Telekom, die selber Fernsehen über ihr neues Breitbandnetz anbieten will, ein neuer mächtiger Konkurrent auf den Plan tritt. Eigentlich Zeit für langfristige Strategien und Investments. Doch daran dürfte Saban kein Interesse mehr haben. STEPHAN KOSCH