Zerlegt in Bilder

AMÜSEMENT Molières „Geizigen“ gab das Gorki-Theater PeterLicht und Jan Bosse zur Bearbeitung. Das Ergebnis ist zum Lachen: die ausgestellte Affirmation

Ist es ein Drama? Nein. Ist es Kabarett? Nein. Amüsiert man sich denn? Ja.

PeterLicht, den wir aus Funk und Fernsehen und als Indie-Popstar und Autor kennen, hat, im Auftrag des Gorki-Theaters, Molières Klassiker „Der Geizige“ bearbeitet, zu einem „Familiengemälde“ zusammengefügt. Am Samstag wurde das Ergebnis uraufgeführt, Regie führte Jan Bosse. Bosse und PeterLicht, das heißt, Aktualisierung um jeden Preis. Der Preis ist in diesem Fall: das Stück als solches. Denn selbst wenn PeterLicht vorgehabt haben sollte, die Personen auf der Bühne interagieren zu lassen – worauf einiges hindeutet –, so interessiert sich Bosse nicht dafür. Er zerlegt das Stück in Bilder und Nummern.

Dabei hilft ihm die von Stéphane Laimé gänzlich verspiegelte Bühne, die eine Guckkastenbühne parodiert und auf ein E-Piano zuläuft, und ebenso die von Kathrin Plath ganz im Stile des siebzehnten Jahrhunderts geschneiderten Kostüme. Niemand verlässt diese Bühne: Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind auf engem Raum an einem großen Tisch gefangen, dem Esstisch, seit je der Ort, an dem über Wohl und Wehe der Familie entschieden wird. Eine Figur mit dem albernen Namen „Onkeltante Jakob/Frosin“ führt ein, und gibt eine Art Bediensteten- oder Mutterrolle. Sabine Waibel spielt sie den ganzen zweistündigen Abend über mit weit aufgerissenen Augen und Bravour. Molières Stück dient nur als Stichwortgeber, sein Aufbau wird nicht übernommen.

Der Geiz der Achtundsechziger

Peter Kurth gibt Papa Harpagon, den Geizigen, den reich Gewordenen, den, wie es in der Pipikaka-Sprache seiner Kinder heißt, „Geizi“. Und Kurth spielt ihn mit Genuss, reizt die Auftritte, die ihm Bosse und der Autor gewähren, voll aus.

Sein Geiz ist ein Geiz der Achtundsechziger, erfahren wir, Geld ist ihm weniger ein Wert als vielmehr Symbol der Warenwelt. In einer frühen grandiosen Szene erläutert der „Geizi“, auf dem Tisch stehend, wie er versucht, die überschüssige Zahnpasta, die er versehentlich herausgedrückt hat aus der Tube, wieder in diese zurückzubekommen. Hier ermüdet PeterLichts Behelfssprache, die auf die Sprachlosigkeit der Sprechenden verweisen will, doch irgendwann. Ebenso wie die Bilder, die Bosse aneinanderreiht.

Stets hält er alle Schauspielerinnen und Schauspieler beschäftigt, doch irgendwann nutzen sich die Tätigkeiten, die er etwa „Eli“, der Tochter, die Hilke Altefrohne mit großer Geduld gibt, ab. Auch Cléanthe, den erbenswilligen Sohn, den Robert Kuchenbuch gehemmt-aggressiv anlegt, mag man bald nicht mehr sehen in seiner kindischen Rolle.

Das Stück zerfällt, es greift viele aktuelle Diskurse auf, weiß sie dann jedoch nicht einzuflechten in den Handlungsfaden, der eh kaum gegeben ist, und verliert sie schließlich wieder. Wenn es also zu einem unbefriedigenden, aufgesetzten, vom Familientyrann befohlenen Happy End kommt, verwundert es nicht. Dennoch – obschon man unbefriedigt bleibt, vieles angerissen ist, man mit dem Jargon der Kapitalismuskritik ebenso sinnlos behelligt wurde wie mit der Kritik der Kritik – lacht man oft in den ersten anderthalb Stunden des Stückes, weil man sich, buchstäblich, spiegelt in der Bühne.

Verändert wird nichts, das Appellative, was Theater haben kann, interessiert PeterLicht und Jan Bosse nicht, sie wollen nicht ändern, nur zeigen. Ausgestellte Affirmation ist ihnen genug. Sie verweigern die Problemlösung nicht, weil sie keine haben, sondern weil sie keine suchen. Und kaprizieren sich auf originelle Stückchen im Stück, Nummern eben.

Mit diesem Ensemble allerdings gelingt das oft ganz hervorragend, es hat begriffen, dass es Kabarett macht, also macht es, kunstvoll, Kabarett. Was ja nicht das Schlechteste sein muss. So hat man am Ende nicht viel gesehen, sich aber herzlich amüsiert. Man bleibt passiv, soll es bleiben. Wie so oft. JÖRG SUNDERMEIER

■ Wieder am 26. 2., 10. + 18. 3. im Gorki-Theater