: Der Frosch kommt auf keinen grünen Zweig
INHALTE Bei der Umfrage rasselt der Artenschutz durch. Das scheint auch sonst sein Schicksal zu sein
BERLIN taz | Die Frosch-Kampagne der Grünen-Spitze hat die Basis nicht überzeugt. Nur 13,21 Prozent derer, die sich an dem Mitgliederentscheid über die wichtigsten Themen für den Bundestagswahlkampf beteiligten, votierten für „Die Heimat von Storch und Laubfrosch schützen – Naturerbe bewahren“. Damit landete der Artenschutz auf Platz 11 von 16 ökologischen Anliegen.
Dabei hatten prominente Grüne wie Cem Özdemir, Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt und Bayerns Landeschef Dieter Janecek eine regelrechte Frosch-Offensive gestartet und den quakenden Gesellen zuletzt immer wieder in ihre Auftritte eingebaut (taz berichtete).
Dahinter stand die Idee, dass der Frosch (putzig, grün, durch Märchen und Wettervorhersage kulturell angebunden) für die politische Kommunikation durchaus attraktiv ist. „Es ist viel einfacher, mit sympathischen Botschaftern auf die Bedrohung von Lebensräumen aufmerksam zu machen“, sagt etwa Roland Gramling, Pressesprecher des WWF, „obwohl klar ist, dass es keinen Sinn macht, nur eine einzelne Art ohne das dazugehörige Ökosystem zu retten“.
Der Laubfrosch ist auch so ein Botschafter, zum Beispiel in einem sehr erfolgreichen Projekt des Naturschutzbundes Deutschland. „Ein König sucht sein Reich“, ist der Versuch unterschrieben, den Europäischen Laubfrosch in der intensiv landwirtschaftlich genutzten münsterländischen Parklandschaft zu erhalten. Anfang der 80er Jahre quakten etwa im Kreis Coesfeld nur noch 300 Laubfrösche, inzwischen zählt Christian Göcking von der Nabu-Naturschutzstation in Münster-Hiltrup wieder einige tausend Tiere.
Die Frösche stellen hohe Anforderungen an ihren Lebensraum, sie benötigen warme, fischfreie Gewässer, Hecken, lichte Waldränder. Deshalb sei es wichtig, nach fachlichen Gesichtspunkten entscheiden zu können, wo Tümpel angelegt werden, sagt Göcking – nicht danach, wo er den Bauern am wenigsten störe.
Besonders empfindlich reagiert der Frosch wie alle Amphibien auf Ackergifte, die er über seine Haut aufnimmt. Ganz abgesehen davon, dass die in der industriellen Landwirtschaft eingesetzten Pestizide seine Nahrung töten.
Hinzu kommt laut Göcking, dass es sich die Naturschützer oft nicht mehr leisten können, Flächen zu pachten oder aufzukaufen, um sie zu renaturieren: Die Erlöse, die mit dem Maisanbau für Biogasanlagen erzielt werden können, lassen die Bodenpreise in die Höhe schießen. Insgesamt, so Göckings Bilanz, habe der Druck auf die Fläche – und damit auch auf den Frosch, auf viele Vögel, Insekten und Pflanzen – in den vergangenen Jahren extrem zugenommen.
Dabei gibt es in Deutschland ein Gesetz, mit dem gegengesteuert werden sollte. Doch von den Zielen der 2007 verabschiedeten „Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt“ sei bislang viel zu wenig umgesetzt, klagt Magnus Wessel, Naturschutz-Experte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Zehn Prozent der Landesflächen sollen als miteinander verbundene Biotope ausgewiesen werden. „Doch es gibt nicht einmal Zahlen darüber, was geplant ist.“
Die Strategie hat der Bund verabschiedet, zuständig für den Naturschutz sind aber die Länder. Und die tun zu wenig. Dabei hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) bereits detaillierte Pläne aufgestellt, wo Biotope sinnvoll angelegt werden könnten und wo Konflikte, etwa durch Straßen, auftauchen könnten. Trotzdem könne auch der Bund mehr tun, sagt Undine Kurth, naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag,. „Überall dort, wo er selbst plant oder kofinanziert, kann er Naturschutz als Querschnittthema mitdenken.“
Auch im Waldschutz, der für den Erhalt von Artenvielfalt wichtig ist, hapert es. Laut Strategie sollen 10 Prozent der öffentlichen Wälder Urwald werden. Derzeit ermittelt das BfN überhaupt erst einmal, in wie viel Prozent der Staatswälder schon nachhaltig gewirtschaftet wird.
„Der Zielkonflikt zwischen Waldschutz und Energiewende ist nicht gelöst“, sagt Sprecher Franz August Emde. Immer mehr Brennholz werde entnommen, ein Windrad nach dem anderen mitten auf bewaldeten Kuppen errichtet. Das bedeutet Rodungen und breitere Waldwege. In Monokulturen wie Fichtenforsten sei das möglich, doch „wir müssen definieren, welche Gebiete wir unangetastet lassen“. Für viele Konflikte mit dem Naturschutz gebe es Lösungen – wenn man zu im Zweifel teuren Kompromissen bereit sei.
Da liegt der Haken: Wenn Artenschutz Geld kostet oder Plänen wie der Energiewende oder einem Flughafen entgegensteht, gerät er unter Niedlichkeitsverdacht: Kurt Becks Mopsfledermaus. Die Feldlerche als Wohnungskiller. Und nun der Laubfrosch – erst als Kampagnentier missbraucht und nun bei der grünen Basis durchgerasselt.
Immerhin: Ganz fallen lassen wollen ihn die Grünen nicht. Der klimapolitische Sprecher Hermann E. Ott twitterte am Mittwoch halb trotzig: „… den Frosch schützen wir sowieso, und den Hamster und die Fledermaus!“ Und Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, versuchte, in das Votum der Mitglieder doch ein Interesse am Artenschutz hineinzuinterpretieren: „Art- und standortgerechte Tierhaltung und nachhaltige Landwirtschaft sind auch gut für #Frosch und Biene.“ HEIKE HOLDINGHAUSEN