piwik no script img

Archiv-Artikel

Umstrittene Rezepte gegen die Unterernährung

NACHGEHAKT Ein G-8-Hungergipfel in London hat die auch in der taz publizierten Vorschläge von Björn Lomborg im Kern gebilligt

BERLIN taz | Der vor einer Woche hier publizierte Appell des Dänen Björn Lomborg zur Bekämpfung von Unterernährung war zum G-8-„Hungergipfel“ mit dem Titel „Nutrition für Growth“ (Ernährung für Wachstum) terminiert, der am 7. Juni in London stattfand. Lomborg hatte ausgerechnet: 2,3 Milliarden Dollar jährlich zur „Bereitstellung von Spurennährstoffen, Zusatznahrung, Wurm- und Durchfallbehandlung, Programme zur Verhaltensänderung“ könnten “chronische Unterernährung in Entwicklungsländern um 36 Prozent verringern“ – das sei die kosteneffektivste Methode zur Hungerbekämpfung.

Die Gipfelerklärung verpflichtet nun die Teilnehmer unter anderem, bis 2020 mindestens 500 Millionen Schwangere und Kleinkinder mit verbesserter Nahrung zu erreichen. Das „Recht auf ausreichende Nahrung“ solle „allmählich realisiert“ und „wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovationen“ sollen in „Politik und Praxis integriert“ werden. Jährliche Evaluierungen sind geplant, ein Folgegipfel 2016. Im Einzelnen verweisen die Dokumente auf exakt jene Art von Interventionen, die auch Lomborg vorgeschlagen hat. Zahlreiche Regierungen von Entwicklungsländern, Hilfsorganisationen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Unternehmen tragen die Erklärung mit.

Unumstritten ist all dies nicht. Da Lomborg auch genveränderte Nahrungsmittel gutheißt, lehnen manche Gegner der Gentechnik seine Vorschläge grundsätzlich ab. Zugleich zirkuliert der Vorwurf, die G-8-Staaten förderten mit ihrer „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ (AGRA) die globale Agrarindustrie. Dass der Londoner Gipfel in der Konzernzentrale von Unilever stattfand, stützt diesen Verdacht. „Am Herzen der Interventionen von AGRA und G 8 stehen die Öffnung von Märkten und die Schaffung von Räumen für Multinationale“, kritisiert ein Zusammenschluss afrikanischer Bauernverbände.

Aktivisten sind gespalten. Die World Development Movement kritisiert den Gipfel als „unternehmensgesteuert“. Zu den Trägern der Gipfelerklärung gehören die Hilfswerke Oxfam, Christian Aid und Save the Children.

DOMINIC JOHNSON