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Archiv-Artikel

Der Hockey- Gastarbeiter

Auf seine Goldmedaille wartet der Olympiasieger bis heute. Auch die vom Deutschen Hockey-Bund versprochene Kopie lässt auf sich warten. Und das alles, weil Nicolas Jacobi, 36-facher Nationaltorhüter vom Uhlenhorster Hockey-Club, bei den von Gold gekrönten Spielen in London „nur“ Ersatz war. Und nach IOC-Regeln zwar mittrainieren durfte, aber die Spiele und die Siegerehrung von der Tribüne aus verfolgen musste.

Die fehlende Wertschätzung stört den 26-Jährigen, ebenso das Nischendasein, das Hockey in Deutschland fristet. Ganz anders ist das in Indien, dort ist es ein Spiel der Massen. Anfang des Jahres absolvierte Jacobi ein vierwöchiges Gastspiel bei den Delhi Waveriders. Das Fernsehen übertrug alle 14 Spiele live, über zehntausend Fans kamen ins Dhyan Chand National Stadium. Das Gesicht des gefürchteten, 1,93 Meter großen Penalty-Killers prangte in der Megastadt auf Plakaten. Und erstmals verdiente er Geld mit Hockey, was hierzulande unmöglich ist – auch ein Grund, warum Jacobi BWL studiert. Ende Mai ist die Master-Arbeit fällig, Thema: „Finanzplanung bei Profisportlern“.

Um für seinen Gastarbeiter-Job von einem der fünf Klubs der neu gegründeten Hockey India League rekrutiert werden zu können, musste sich Jacobi wie andere ausländische Top-Spieler für eine Auktion anmelden. Sein selbst gewählter Mindestpreis: 20.000 US-Dollar. Nach einem Bieterduell ging er für 50.000 US-Dollar – eine für deutsche Hockey-Verhältnisse undenkbare Summe und zugleich sein Grundgehalt – über den Tisch. Das Multi-Kulti-Team bestand aus Spaniern, Neuseeländern, Südafrikanern, Holländern, dem Deutschen Oskar Deecke und 14 Indern. Seine Erfahrungen – mit kreischenden männlichen Fans, dem Ballgefühl von Indiens Hockey-Idol Sardara Singh oder der Kluft zwischen Arm und Reich – schilderte er in zwei Blogs: einem für eine Zeitung, die unzensierte Version für Freunde und seine Hockey-verrückte Familie.

Seine drei Geschwister schwingen alle den Schläger, Jacobi seit er sieben ist. Einmal steckte ihn seine älteste Schwester in voller Montur ins Tor. Dort blieb Jacobi. 2008 wechselte der gebürtige Mainzer von Rüsselsheim zum UHC, mit dem er dreimal in den letzten fünf Jahren die Euro Hockey-League, das Pendant zur Fußball-Champions-League, gewann. Diese Saison will er mit den „Eulen“ zum ersten Mal die Feldmeisterschaft nach Uhlenhorst holen und sich als Deutschlands Nummer 1 etablieren. Das Ziel ist, in Rio 2016 im Kasten zu stehen. Schon im Januar 2014 geht das Abenteuer Indien weiter. „Nicht noch einmal wegen der Erfahrung, sondern des Geldes wegen“, sagt Jacobi unverblümt.  MIKE LIEM