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Archiv-Artikel

„Ein interessanter Mittler“

WENDE Die Iraner wählten Hassan Rohani zu ihrem Präsidenten – er könnte vermitteln

Von RÖS
Oliver Borszik

■ 35, ist Doktorand im Fach Islamwissenschaft an der Uni Hamburg und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Giga Institut.

taz: Herr Borszik, hätten auch Sie Hassan Rohani am Freitag Ihre Stimme gegeben?

Oliver Borszik: Ja, Rohani hat sich als vielversprechender Akteur des Wandels präsentiert und mit seiner Agenda den Menschen Hoffnung gemacht: Er will nicht nur die extremistischen Stimmen mäßigen und eine pragmatische Außenpolitik beginnen, sondern verspricht auch auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen. Die übrigen konservativen Kandidaten haben keine überzeugenden Vorschläge entwickelt, wie man den Iran aus der wirtschaftlichen und außenpolitischen Krise holen kann.

Die Iraner bejubelten seinen Sieg. Der Kontrast zu den Präsidentschaftswahlen von 2009 ist unfassbar groß.

Die Menschen im Iran haben einen Grund zu feiern: Sie haben sich von den repressiven Maßnahmen gegen die grüne Bewegung von 2009 nicht unterkriegen lassen. Stattdessen können die Iraner jetzt aufatmen, weil Regierung und Volk sich annähern. Das Staatsoberhaupt Ali Chamenei hat erkannt, dass das Reformlager von den Bürgern unterstützt wird und in die Politik eingebunden werden muss. Deshalb hat er bereits Ende März Andeutungen gemacht, dass die Reformer wieder auf das Regime zugehen sollten und das eine Versöhnung stattfinden kann.

Rohani verkörpert diese Hoffnungen?

Ja, aber Rohani war lange unauffällig. Er ist sozusagen eine Hybridform zwischen den islamischen Reformern und den moderaten Konservativen. Als Zwischenglied kann er möglicherweise zwischen beiden Lagern Brücken schlagen.

Sehen Netanjahu, Kerry, Westerwelle und Co. das auch so?

Entscheidend wird Rohanis Haltung zum iranischen Atomprogramm sein. Er war von 2003 bis 2005 Chefunterhändler und hat die Verhandlungen über das Atomprogramm geführt. Unter seiner Leitung ist es gelungen, einen Kompromiss zu erarbeiten, der für den Westen tragbar war. Das gibt einen Vorgeschmack: Er könnte Gesprächsbereitschaft zeigen und den Befürchtung des UN-Sicherheitsrats Raum geben. Rohani wird auf keinen Fall bereit sein das Programm zu stoppen – aber seine Spielräume nutzen, die Fortentwicklung transparenter zu gestalten. Die Lockerung der Sanktionen ist ein wichtiges politisches und wirtschaftliches Ziel, daher wird er pragmatisch agieren.  INTERVIEW: RÖS

Vortrag und Diskussion „Präsidentschaftswahlen im Iran – eine (vorläufige) Bilanz“: 19 Uhr, Staatsbibliothek, Von-Melle-Park 3