„Mittwochs geht der Arzt golfen“

Heute wird in allen Arztpraxen Dienst nach Vorschrift gemacht. Morgen geht der Mediziner-Protest weiter

Nach zwei Tagen Ärzteprotest zieht das Bündnis Berliner Kassenärzte eine positive Bilanz. Etwa 1.500 Ärzte hätten am Montag und Dienstag ihre Praxis geschlossen – das sei rund die Hälfte aller im Norden von Berlin niedergelassenen Ärzte, sagte Wolfgang Mitlehner, der Sprecher des Bündnisses. „Das sind viel mehr, als ich erwartet hatte.“

Die Ärzte protestieren gegen die ihrer Meinung nach unzureichende Finanzierung der ambulanten Medizin und die verstärkte Bürokratisierung ihrer Arbeit. Vor allem aber ist ihnen das Arzneimittelgesetz der Bundesregierung ein Dorn im Auge. Eine Folge davon sei, dass die Ärzte für Medikamente „zur Kasse gebeten werden, auch wenn die Patienten diese benötigen“, sagte Albrecht Scheffler vom dem Ärzte-Bündnis. Die Situation der Berliner Ärzte sei im Vergleich zu anderen Städten bereits jetzt dramatisch, betont auch Mitlehner.

Verständnis für Protest

Die Patienten hätten „Verständnis gezeigt“ für die geschlossenen Praxen, sagte Annette Kurth von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gestern. Sie begründete dies auch damit, dass die ärztliche Versorgung sichergestellt gewesen sei. Statt vier wie an normalen Tagen waren am Montag und Dienstag zeitgleich sieben Ärzte in Bereitschaft. Insgesamt habe es an beiden Tagen etwa 50 Prozent mehr Einsätze gegeben.

Auch hätten einige Ärzte ihre Praxen nur für einen Tag oder aber gar nicht geschlossen und nur mit Flyern über die Forderungen der Ärzte informiert. Denn, so Kurth, die Zahl der Ärzte, die hinter den Forderungen des Ärztebündnisses stünden, sei sicherlich höher als 1.500.

Aus dem Bundesgesundheitsministerium, dem Adressaten der Proteste, war gestern lediglich zu hören, dass Ministerin Ulla Schmidt (SPD) ein Eckpunktepapier über die Umstrukturierung des Gesundheitssystems in den kommenden Wochen weiter verfeinern werde. Dies erklärte Andreas Deffner, ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Der Entwurf sei bereits seit vergangenem Sommer in Arbeit und enthalte unter anderem eine Änderung des Vertragsarztrechts. Die Kritik der Berliner Ärzte an dem Arzneimittelgesetz (AVWG) werde darauf aber keine Auswirkungen haben, so Deffner. Er verteidigte das Gesetz: Damit könne man die Versorgung mit Arzneimitteln wirtschaftlicher gestalten.

Heute pausiert der Protest der Ärzte. „Wir machen es wie immer am Mittwoch – da gehe man als Arzt ja Golf spielen“, sagte Wolfgang Mitlehner ironisch. Am morgigen Donnerstag und am Freitag werden die Praxenschließungen dann fortgesetzt: Betroffen sollen diesmal nur die südlichen Bezirke Berlins sein. Erneut rechnet das Ärzte-Bündnis mit einer Beteiligung von etwa 50 Prozent.

Offiziell ist der Protest kein Streik: Das Bündnis spricht vielmehr von „Aktionstagen“. Streiken ist Ärzten verboten. Deswegen beteiligen sie sich offiziell an Fortbildungen der KV. An den ersten beiden Protesttagen haben laut Annette Kurth pro Tag 600 Mediziner an solchen Veranstaltungen teilgenommen. Über den Verbleib der restlichen Ärzte konnte sie keine Aussage machen. Maria Daldrup

Am morgigen Donnerstag können sich Bürger in der „Sprechstunde Gesundheitspolitik“ im Rathaus Charlottenburg zwischen 10 und 11 Uhr über den Ärzteprotest informieren. Der ärztliche Notdienst (Tel.: 31 00 31) und Vertretungsärzte sollen die medizinische Versorgung gewährleisten.