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Archiv-Artikel

Gesund trinken mit Tinte im Saft

Neue Funde der Chemikalie Isopropylthioxanthon in Säften und Wellnessdrinks: Während die Deutsche Umwelthilfe vor Risiken für Gesundheit und Getränkeindustrie warnt, sieht Verbraucherminister Horst Seehofer „keinen Handlungsbedarf“

AUS BERLIN MIRJAM MEINHARDT

Die Druckchemikalie Isopropylthioxanthon (ITX) steht offenbar weiter auf unserem Speiseplan: Die Chemikalie wurde nun auch im Orangensaft Marke „hohes C“ und in Wellness-Drinks Marke „Aloe-Vera-Drink“ nachgewiesen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erklärte gestern, fast die Hälfte aller gestesteten Säfte enthalten ITX. Die Chemikalie lässt Druckerfarbe schneller trocknen.

„In einem Wellnessdrink haben wir 447 Mikrogramm ITX pro Kilo nachgewiesen“, erläuterte DUH-Expertin Eva Leonhardt. Ob das nun allerdings skandalös ist – oder nicht – ist unklar: Normalerweise wird erst ab einem Grenzwert oberhalb 50 Mikrogramm je Kilo untersucht, ob eine gefundene Chemikalie gesundheitsgefährdend ist. Die Umwelthilfe fand einen bis zu neunfach höheren Wert.

Das Verbraucherministerium sieht „keinen Handlungsbedarf“. Minister Horst Seehofer (CSU) erklärte, „gegenwärtig liegen keine Hinweise vor, dass ITX in den gefundenen Mengen ein Gesundheitsrisiko darstellt“. Im November wurde mit ITX verunreinigte Nestlé-Babymilch in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich und Kroatien vorsorglich aus dem Verkehr gezogen.

In Österreich gilt ein ITX-Grenzwert von 50 Mikrogramm, erklärte die DUH. „Wir verstehen nicht, warum in Österreich und Italien reagiert wird, in Deutschland aber nicht“, so DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Tatsächlich haben auch in der Bundesrepublik einzelne Supermärkte reagiert: Aldi verzichtet auf seine „Apfelblüte“, Lidl auf den Saft „Vitafit“ und Norma auf den Tomatensaft „Grünfink“.

„Es passiert gerade so viel, bis ITX wieder aus den Schlagzeilen verschwunden ist“, kritisiert Resch. Manche Hersteller reagieren gar nicht. Die Firma Eckes-Granini mache weiter wie bisher und berufe sich auf das Verbraucherministerium. Resch: „Solange es keine rechtlichen Entscheidungen gibt, ist kein Getränkeabfüller verpflichtet, etwas zu tun.“

Wie schädlich ITX tatsächlich ist, kann bisher niemand sagen. Die für Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden können die Chemikalie weder als gefährlich noch als bedenkenlos einstufen. „Im Sinne eines vorsorglichen Verbraucherschutzes muss Horst Seehofer die Verpackungshersteller verpflichten, ITX-belasteten Kartons zurückzunehmen“, fordert Resch. Der DUH-Chef warnte vor einer schwierigen Lage der Getränkeindustrie: Würden die Verpackungshersteller nicht gezwungen ihre Kartons zurückzunehmen, stünden den Leidtragenden – und nicht den Verursachern – hohe Verluste ins Haus.

Hinter dem Problem „ITX“ steht eine Gesetzeslücke, die den gesamten Bereich der Druckchemikalien betrifft. Bei der Produktion von Lebensmitteln werden alle verwendeten Stoffe geprüft – mit Ausnahme der Druckchemikalien. Schon lange ist bekannt, dass es ein „Abklatsch-Problem“ gibt: Die Kartonhersteller liefern bedruckte Bögen, die aufeinander gestapelt werden. Bedruckte Außenseite auf späterer Innenseite: so kommt die Chemikalie in den Saft. Mit einer Ausnahme: Bei Milchprodukten sei das ITX-Problem mittlerweile gelöst, so Resch: „Warum soll das nicht auch beim Apfelsaft gehen?“