: Zertrampeltes Lächeln
„Kriegs“, „Deutschen“ und „Rose‘s Rage“: Die pasdach.company tanzt im Sprechwerk
Von Katrin Jäger
Die beiden Tänzerinnen rollen auf dem Boden, schnellen wieder hoch, zackig durchschneiden ihre Hände die Luft. Sie tragen Halbmasken mit offenen Mündern, als würden sie ewig schreien und trotzdem keine Miene verziehen, wie die berühmte Maske im Horrorklassiker „Scream“. Lea Schilling und Pamela Kobahn von der pasdach.company tanzen Kriegs. So heißt ihr neues Stück, das jetzt im Sprechwerk uraufgeführt wird, und zwar zusammen mit einer weiteren Premiere, Deutschen. Drittes Stück des Abends ist Rose‘s Rage aus dem Repertoire der Company.
Die Augen der Performerinnen bedecken schwarze Augenbinden, Assoziationen an Erschießungskommandos stellen sich ein, während die Tänzerinnen weiterhin die Luft zerteilen und von martialischen Bewegungen in ballettartige Drehungen hinübergleiten. Ein bewegungsintensives Schwanken in einem Meer der Stimmungen, ohne dass sie sich je berühren würden. Wie zufällig scheinen sich ihre Wege ab und zu im Raum zu kreuzen.
„Es geht um das Wesen des Krieges“, sagt die Choreographin Tünde Pasdach. „Aufeinander losgehen, das wäre der normale Krieg, den wollen wir nicht abbilden. Dieses haarscharf Aneinander-Vorbeigleiten verdichtet die Gefühlsmomente des Krieges, den Zustand der Aggression.“ Beziehungsweise der Autoaggression: Immer wieder reiben die Tänzerinnen ihre eigenen Körper, als wollten sie sich die Haut vom Leib schrubben. Die wenigen Bewegungsvarianten setzen sich wie die Themen einer Fuge immer neu zusammen, begleitet vom Rhythmus des Schlachters.
Vorn am Rand der Bühne sitzen nämlich Tünde Pasdach und der Komponist Bernd Schultheis. Vor ihnen ein langes Brett, auf das sie mit spitzen Fleischermessern einstechen – ein exakt durchkomponiertes rhythmisches Massaker. Die beiden Percussionisten tragen Schlachterhandschuhe aus Kettenhemdmaterial. Damit sie sich nicht verletzen, wenn sie zwischen ihre eigenen Finger stechen, wenn sie ihr Messer über die Holzfläche ziehen, dass es ächzt. „Wir spielen eine Art Antreibungsmusik“, sagt Komponist Bernd Schultheis. „Erst klingt das wie ein Marsch, dann zerspielen wir ihn gewissermaßen.“
Das zweite neue Stück, Deutschen, ist musikalisch nicht so minimalistisch gehalten. Bernd Schultheis lässt ein Ensemble aus 16 Blockflöten aller Größenordnungen das Motiv der Nationalhymne von Joseph Haydn variieren, verzerren und verfremden. „Wir dehnen das Stück zum Beispiel zeitlupenmäßig in die Länge. Und bei aller Variation geht es natürlich um die Frage, ob eine Nationalhymne eine nationale Identität stiftet oder eine irgendwie vorhandene ausdrückt“, sagt der Komponist. Nur ein Blockflötenquartett wird live auf der Sprechwerk-Bühne stehen. Die anderen Instrumente werden vom Band zugespielt.
Ein Mann in goldener Hose hüpft 18 Minuten lang vor einer roten Wand und hinter einem schwarzen Vorhang, ein anderer hisst eine weiße Fahne und liest leidenschaftlich ein Pamphlet zum Thema „ich kapituliere“. Ein dritter Mann sagt den selbenText monoton auf, sechs weitere Personen bauen während im Verlaufe des Stücks die Bühne auf und wieder ab.
Das letzte Stück der Trilogie, Rose‘s Rage, hat die pasdach.company bereits 2004 beim „auftauchen“-Festival in Hamburg präsentiert. Protagonistin Rose ist eine Stewardess, die so lange lächelt, bis sie ein Magengeschwür entwickelt. Vier Darstellerinnen spielen parallel diese doppelbödige Figur: Einerseits dieses Dauerlächeln, andererseits zerstören sie haufenweise hölzerne Obstkisten auf der Bühne und tun dann so, als sei nichts passiert. „Es geht richtig zur Sache“, schmunzelt die Choreographin Tünde Pasdach. „Die treten mit ihren Stöckelschuhen in die Kisten und schlagen richtig zu.“ Gleichzeitig schreien die vier Roses hysterisch.
Ein wirklich lautes Stück, eine komische Nummer zu dem sehr ernsten Thema, dass Frauen häufig ihre Wut nicht direkt ausdrücken. Eine solche Situation gab auch den Anstoß zum Stück. Nach einer Probe sagte eine Tänzerin einmal mit piepsiger Stimme: „Ich habe Wut, Wut, Wut.“
Uraufführung: Do, 9.2., 20 Uhr, Sprechwerk (Klaus-Groth-Str.23). Weitere Vorstellungen: 10.+11.2., jeweils 20 Uhr