: Pragmatisches Raubein
Dieter Hundt und Ingo Kramer verbindet eine gemeinsame Geschichte: 1996 traten beide ihr Amt als Chef einer Wirtschaftsvereinigung an. Dieter Hundt wurde Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bremerhaven. Nun soll Kramer, der im Januar seinen 60. Geburtstag feierte, Hundt folgen.
Als Kramer sein Amt in der IHK Bremerhaven antrat, war er schon über 10 Jahre lang in der Geschäftsführung der JHK-Gruppe aktiv. Von Kramers Großvater Johann Kramer 1901 als Kupferschmiede gegründet, befasst sich das Unternehmen mit 260 Mitarbeitern heute vor allem mit Bau und Wartung von Industrieanlagen. Mit Kramer führt ein Familienunternehmer die BDA, so wie Ulrich Grillo den Bundesverband der deutschen Industrie und Eric Schweitzer den Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
Einen übermäßigen Sinn für Traditionen hat Kramer indes bislang nicht an den Tag gelegt. Die kleine, feine IHK Bremerhaven mit ihrer fast 150-jährigen Geschichte hat er mit der größeren Schwester in Bremen fusioniert und ihren Mitgliedsunternehmen so niedrigere Beiträge beschert. Ein „pragmatisches Raubein“ sei er, sagt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Als Sachverständiger der IG Metall in Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie im Norden hat er Kramers Kritik „an den Begründungen der Lohnforderungen der Arbeitnehmer als radikal einseitig“ erlebt, so Hickel. Darum wünsche er sich, dass er im neuen Amt „das Tarifvertragssystem als Zentrum ökonomischen und sozialen Ausgleichs anerkennt“.
Viel Gestaltungsspielraum wird der verheiratete Vater von vier Kindern allerdings nicht haben. Wie die anderen Wirtschaftsvereinigungen auch, kämpft die BDA mit den unterschiedlichen Interessen seiner Mitgliedsunternehmen. Insgesamt 58 Spitzenverbände der Branchen – etwa der Bundesarbeitgeberverband Chemie oder der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau – sowie 14 überfachliche Branchenverbände, von den Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden Sachsen-Anhalt bis zur Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, vereint der BDA unter seinem Dach. Für Kramer ist das nichts Neues, schließlich gehört er dessen Präsidium seit 2003 an. Was ihn als Nachfolger Hundts erwartet, weiß er also. HOL