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Archiv-Artikel

Empört über „Selbstbedienung“

DIÄTEN Dass die Linksfraktion bei der Diäten-Reform sparen will und von einer heimlichen Erhöhung spricht, bringt die vier anderen Parteien in Rage

Von kawe

CDU, SPD, FDP, Grüne – so einig wie gestern gegen die Linksfraktion waren sich die vier „bürgerlichen“ Parlamentsfraktionen selten. In der Debatte über die Neugestaltung der Diäten nannte Uwe Woltemath von der FDP sie „Chaostruppe“ mit „Doppelmoral“ unter dem Beifall auch von SPD und Grünen. Sie verbreite die Unwahrheit und sei nicht in der Lage, die Diäten-Rechnung zu verstehen, polterte Thomas Röwekamp (CDU). „Billigen Populismus“ sah Bernd Tschöpe (SPD) am Werk und die böse Absicht, „das Parlament verächtlich zu machen“. Und Mathias Güldner (Grüne) brachte einen Laptop mit ans Rednerpult, um unter beinahe tumultartiger Empörung im Saal die Internetseite der Linksfraktion vorzuzeigen: Eine „Mogelpackung“ sei die Neuordnung der Diäten, stand da, „Selbstbedienung“ in Wahrheit. Dazu ein Bild, das zeigt, wie vier Männer in die Kasse greifen.

Zehn Minuten nach dieser Szene war das Bild von der Internetseite verschwunden. „Ich kannte das Foto nicht“, sagt Fraktionsvorsitzende Monique Troedel nach der Debatte. „Ich habe mir das auf dem Laptop angesehen und meinem Geschäftsführer gesagt, er solle es sofort von der Seite herunternehmen.“ Mit-Vorsitzender Peter Erlanson, der für die Linke reden musste und vor lauter Zwischenrufen kaum einen zusammenhängenden Gedanken vortragen konnte, kannte das Foto ebenfalls nicht.

Bei der Reform der Abgeordneten-Diäten haben die vier Fraktionen sich darauf verständigt, acht verschiedene Zusatz-Bezüge, die bisher zu einer sehr unterschiedlichen Bezahlung der Abgeordneten führen, zu streichen und das eingesparte Geld an alle gleich zu verteilen – immerhin rund 2.200 Euro pro Nase. Die Diät würde von derzeit 2.550 Euro auf 4.700 Euro steigen, ohne dass unter dem Strich mehr für die 83 Parlamentarier ausgegeben würde.

Der sachliche Kern der Kontroverse: Bisher bekamen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, wenn sie im Parlament saßen, die Hälfte ihrer Bezüge als „Ausgleichsbetrag“, weil sie von der Arbeit freigestellt wurden. Diese „Inkompatibilität“ soll wegfallen, die Abgeordneten können also weiter mit halber Stelle arbeiten und sich den halben Lohn durch Arbeit verdienen. Die Ausgleichsbeträge werden aber nicht eingespart, insgesamt 472.000 Euro im Jahr, sondern an alle 83 Abgeordneten ausgeschüttet – das macht fast ein Viertel der 2.200 Euro aus.

Nach der neuen Regelung sollten alle Fraktionen einen Vorsitzenden mit 11.500 Euro bezahlen. Auch das monierte die Linke – sie hat derzeit zwei gleichberechtigte Vorsitzende, die mit einer Zulage von jeweils 800 Euro auskommen. In diesem Punkt signalisierten die vier Parteien, dass sie sich eine „Öffnungsklausel“ im Gesetz vorstellen können.

Im März soll die neue Regelung Gesetz werden. kawe