piwik no script img

Archiv-Artikel

Bayern liberalisiert Muslimtest

Innenminister Beckstein gewährt Einbürgerungswilligen Nachhilfe für Sprachtest

MÜNCHEN taz ■ Ministerpräsident Edmund Stoiber und sein Innenminister haben einen Fahrplan zu einem bundeseinheitlichen Einbürgerungstest vorgelegt. Bis April will Bayern in Konzept für den Test fertig haben. Bei Opposition und Ausländergruppen stößt das ausländerpolitische Vorpreschen auf wenig Gegenliebe, von „Unsinn“ bis „Signal zur Ausgrenzung“ reichen die Kommentare.

Mit den Worten „Bayern will hier Druck machen“, hatte Stoiber klar gemacht, wer die schnellsten Sheriffs im ganzen Land sind. So sollen in dem Test Einbürgerungsbewerber „Kenntnisse über Deutschland, über seine Werte und über die deutsche Sprache“ nachweisen müssen. Die Beamten sollen Deutschkenntnisse in einem Interview prüfen, bei dem bundesweit einheitliche Maßstäbe gelten. Die Bürgerschaftsbewerber bekommen auch Nachhilfe.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) schweben individuelle Staatsbürgerschaftskurse vor, die auf Aufenthaltsdauer und Geschlecht der Bewerber Rücksicht nehmen: „Ich will, dass zwangsverheiratete Frauen ihre Rechte kennen lernen und auch einfordern.“

Ein expliziter „Muslimtest“, wie in Baden-Württemberg ist dabei nicht vorgesehen, wie Becksteins Sprecher zur taz sagte: „Das württembergische Modell wird nicht eins zu eins umgesetzt.“ Die Grundidee sei richtig, aber nicht ausreichend: „Es kann ja auch Bewerber aus nicht islamischen Bereichen geben, die unsere Grundwerte nicht teilen.“ Egal ob Scharia oder Polygamie – man wolle wissen, wie die Deutschland-Bewerber ihr Leben gestalten.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) hält die bayerische Idee samt Gesinnungstest dagegen für Unsinn. Regelanfragen bei Verfassungsschutz und Polizei gebe es bereits, und „ein Fragebogen, den jemand im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens auswendig lernen kann, um dann die richtigen Antworten zu geben, ist keine sinnvolle Ergänzung“.

Auch der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, und Grünenchefin Claudia Roth haben gestern davor gewarnt, weitere Hürden bei der Einbürgerung von Ausländern zu errichten. Gesinnungstests seien „kein Signal zur Integration, sondern zur Ausgrenzung“. MAX HÄGLER

meinung und diskussion SEITE 11