: Löchriges Winternotprogramm
SCHLAGLÖCHER Der Zustand der Straßen im Norden ist nach diesem Winter miserabel. Auch Hamburg will Löcher stopfen, aber das umstrittene Streusalz wird nicht infrage gestellt
■ Das salzige Schmelz- und Regenwasser von den Straßen landet in der Kanalisation und gelangt so in die Klärwerke.
■ Laut Abwasserzweckverband Südholstein stellt das Salz in den Klärwerken kein Problem dar, weil die Konzentrationen nicht hoch seien.
■ In der Elbe vermischt sich das Wasser aus den Klärwerken mit dem salzigen Nordseewasser.
■ Problematischer ist der Split. Denn dieser lagere sich in den Kanälen ab und müsse dort wieder herausgeholt werden, erklärt der Abwasserzweckverband.
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Der schwarz-grüne Senat habe Hamburgs Straßen kaputt gespart, findet die SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft. In anderen Städten im Norden sehe es nach diesem Winter auch nicht besser aus, antwortet die regierende CDU: „Wo ist das Problem?“. Das liege in der „jahrelangen schlampigen Behandlung der Straßen“, glaubt die Linke, und die mitregierenden Grünen verkünden, die Beseitigung von Schlaglöchern habe „Priorität“. Wie sie entstehen, war indes kein Thema in der Parlamentsdebatte am Donnerstagnachmittag.
In Hamburg hat die Stadtreinigung bei jedem Einsatz bis zu 300 Tonnen Salz auf 3.300 Kilometern Straße verteilt. Das sind pro Quadratmeter 10 bis 15 Gramm Salz, dessen Wirkung bis zu 24 Stunden anhält. Nach Einschätzung von Umweltschützern hat diese massive Pökelung des Asphalts die Bildung der zahlreichen Schlaglöcher zumindest befördert.
Vor allem „schlecht gepflegte Straßen sind anfällig“, sagt Helmut Lohner vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Das getaute Wasser dringe in Ritzen und Spalten ein, und wenn es über Nacht wieder friere, komme es eben zum bekannten Phänomen der „Frostsprengung“. Das gelte vor allem für Betontrassen, ergänzt Rudolf Fenner von Robin Wood, Asphalt sei „nicht ganz so anfällig“.
Die Hamburger Umweltbehörde hält den Salzeinsatz für unbedenklich. „Entscheidend ist der Frost“, sagt Sprecherin Helma Krstanoski. Bei vorgeschädigten Straßen reicht „schon wenig gefrierendes Wasser“, der kausale Zusammenhang mit Streusalz sei „so nicht erkennbar“.
Zur Beseitigung der Winterschäden hat der Senat in dieser Woche zusätzliche zehn Millionen Euro bereitgestellt. Aus Spargründen vorgesehene Kürzungen im Straßenbauetat werden zudem nicht vollzogen. Damit stehen in diesem Jahr 49 Millionen Euro zur Sanierung von Straßen und Wegen zur Verfügung, fast 13 Millionen mehr als im Vorjahr. Nach Ansicht des ADAC ist das viel zu wenig. Fünf Jahre lang seien jeweils 60 Millionen Euro nötig, um die Löcher in Hamburgs Straßen zu stopfen.
In ganz Norddeutschland werden die Winterschäden kräftig zu Buche schlagen, mit einer genauen Bilanz wird aber erst im März gerechnet. 3,6 Millionen Euro waren in der Region Hannover nach dem vergangenen Winter für die Grundsanierung der Kreisstraßen nötig. Jetzt befürchtet Sprecher Klaus Abelmann „viel größere Schäden und eine höhere Summe“. Rund 14.000 Schlaglöcher will die Bauverwaltung in Lübeck gezählt haben, eine Straße wurde sogar gesperrt. In Kiel ist das gesamte Stadtgebiet von Schlaglöchern betroffen. Um sie zu stopfen, hat die Stadt nach eigenen Angaben bereits 1,3 Millionen Euro ausgegeben.
Für Hamburg kündigte Umweltsenatorin Anja Hajduk (Grüne) noch einen Nachschlag an. Sowie die „komplette Schadensbilanz“ vorliege, sei ein kurzfristiges Winternotprogramm nicht ausgeschlossen.