Leben mit der Zensur

FRIEDENSPREIS Der deutsche Buchhandel ehrt anlässlich der Buchtage 2013 Swetlana Alexijewitsch

Freiheit bedeutet für jeden etwas anderes, das wird auf den Buchtagen Berlin 2013 deutlich. Die Branche widmet sich der Freiheit des Buches und diskutiert die Verantwortung von Verlegern, Händlern und Autoren. Den Rednern ist bewusst, wie politisch ihr Thema ist.

So erinnert Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins, an Bücherverbrennungen. Sie finden auch heute statt, man denke nur an China. Honnefelder schließt, indem er auf Swetlana Alexijewitsch verweist, diesjährige Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels. Die weißrussische Autorin habe mit ihrer „chorischen Zeugenschaft“ ein eigenes Genre entwickelt. „Schreiben oder Sterben“ übertitelt der algerische Schriftsteller Boualem Sansal seinen Vortrag und erinnert an Jorge Semprún, der gegen die Franco-Diktatur in Spanien und das Grauen der KZs anschrieb, das er in Buchenwald selbst erlebt hatte. Das Ultimatum ist leider aktuell.

Bevor Tahar Djaout, ein Kollege von Sansal, von Islamisten ermordet wurde, hatte er einmal gesagt: „Du stirbst, wenn du sprichst, du stirbst, wenn du schweigst, also sprich – und stirb.“ Sansal wurde 2011 der Friedenspreis verliehen, anlässlich der Buchtage spricht er nun von der Pflicht zum Engagement und vom Leben mit der Zensur. Dabei könne Zensur sehr unterschiedlich wirken: Während es in Deutschland gesetzlich verboten ist, den Holocaust zu leugnen, wurde Orhan Pamuk in der Türkei angeklagt, weil er an den Genozid an den Armeniern erinnerte. Verteidiger der Freiheit finden sich oft auf der Anklagebank wieder, manche werden eingeschüchtert. Ungeschriebene Gesetze verhindern, dass Meinungen frei geäußert werden.

Der iranische Autor und Verleger Abbas Maroufi schildert in seinem Vortrag, wie nach einem Schreibverbot erst sein Geschäft zerschlagen wurde, er dann in Haft mit Peitschenhieben gefoltert wurde. Sogar Klassiker zensiert man im Iran. „Wenn das so weitergeht, dann werden bald Passagen des Korans gestrichen“, prophezeit Maroufi. Für ihn sind neue mediale Möglichkeiten wie mooc lebenswichtig – Buchhändler sehen darin eine Bedrohung. Wilfried Weber erklärt anhand der Geschichte der Hamburger Buchhandlung Felix Jud, wie wichtig diese als Räume des Geistes und des Widerstands sind. Dabei widerspreche der Geist des Handels übrigens nicht dem Geist, aus dem Kultur entsteht. Die Freiheit des einen funktioniert also nur mit der Freiheit des anderen.

CATARINA VON WEDEMEYER