: Die Kirche ist kein spiritistischer Verein
Hildesheims Bischof Norbert Trelle tritt heute sein Amt an. Der taz erklärt er, wo in der katholischen Kirche die Demokratie endet. Und dass Sakramente nichts mit innerer Erfahrung zu tun haben
Interview: Benno Schirrmeister
Das Gespräch im Generalvikariat beginnt mit einer milden Zurechtweisung: „Es hat mich nicht gerade gefreut, was Sie geschrieben haben“, sagt Hildesheims neuer Bischof Norbert Trelle (63). Anlässlich seines Amtseides beim niedersächsischen Ministerpräsidenten hatte taz nord über Trelles langjährigen Dienstherrn, den Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner gelästert, den DER SPIEGEL ob seiner autoritären Amtsführung als „Gotteskrieger vom Rhein“ bezeichnet. Die durchgängig negative Darstellung in den Medien aber, betont sein ehemaliger Weihbischof Trelle,habe „der Kardinal nicht verdient“. Meisner müsse auch als „kommunikativer Bischof“ gewürdigt werden, „der die Menschen mit seiner Freundlichkeit einnimmt“. Was ihn selbst angeht, sehe er indes „keinen Grund zu klagen“. Allerdings: Eine Formulierung schreit nach Korrektur.
Norbert Trelle: Und dann schreiben Sie: Ich sei der Hölle entronnen in Köln ...
taz: Das stand da, in der Tat…
… also das fand ich schon sehr stark. Ich gebe Ihnen zu, Journalisten müssen griffig formulieren. Nur, ich kann Ihnen sagen: Die Hölle war’s nicht.
Nüchtern stellt sich aber doch die Frage nach der Rangfolge zwischen Bischof und Weihbischof. Das war Ihr bisheriges Amt. Und darin hatte der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Ihnen beim Ruf nach Hildesheim Profilmangel bescheinigt …
Ich weiß: „…hat wenig Profil gezeigt...“ – das war doch noch ganz charmant formuliert.
Wieviel eigenes Profil kann ein Weihbischof entwickeln?
Das ist ja immer auch die Frage: Welches Profil zu welchem Zweck? Für mich war vorrangig, nicht mir selbst Profil zu geben. Ich möchte eher Glaubensprofile bearbeiten. Der christliche Glaube darf nicht geglättet sein. Profil entwickeln Weihbischöfe, wo sie die zugewiesenen Aufgaben bearbeiten. Das war bei mir vor allem die Migranten-Seelsorge.
Aber eine Differenz zum Bischof öffentlich auszutragen ist nicht möglich?
Weihbischöfe haben Anteil an der Leitungsvollmacht. Aber es kann nicht bezweifelt sein, dass die Erstverantwortung der Ordinarius, also der Diözesanbischof hat. Differenzen sind natürlich immer da. Dass da auch im Verhältnis zwischen dem Ordinarius und seinen Beratern Auseinandersetzungen entstehen, ist völlig normal. Im erzbischöflichen Rat waren wir jedenfalls keine Runde von Kopfnickern. Man muss aber nicht jeden Familien-Konflikt dem Nächsten so auf die Seele binden, dass er seine helle Freude dran hat.
Streitigkeiten lieber intern auszutragen ist auch im politischen Leben üblich. Aber in der katholischen Kirche hat das letzte Wort stets der Bischof…
Das sollte nicht so verstanden werden, als ob man in Auseinandersetzungen stets die Öffentlichkeit scheut. Hier in Hildesheim gab es 1989/90 eine Diözesan-Synode, wir haben in Köln 1994 das so genannte Pastoralgespräch gehabt; es gab in allen Bistümern große, prozesshaft angelegte Grundfragen-Konferenzen. Das war oft kontrovers – und sehr öffentlich. Die Meinungsbildung hat in der Kirche eine solide Grundlage. Aber dennoch stimme ich Ihnen zu: Es gibt Letztentscheidungen, die dem Ordinarius zugeordnet sind.
Der annuliert damit bisweilen das Votum der untergeordneten Gremien: So hat sich im Streit mit der Bischofskonferenz stets der Papst durchgesetzt. Wie passt dieses hierarchische Modell in eine Demokratie?
Die Kirche hat nie den Anspruch erhoben, am Ende ihrer Entwicklung müsse sie eine Form haben, die mit dem Begriff der demokratischen Gesellschaft beschrieben ist. Allerdings meint der Begriff Hierarchie keineswegs zuerst eine rangmäßige Über- oder Unterordnung, sondern ein Zurückgehen auf den Urgrund. Es muss möglich sein, in den Ursprung zurück zu gehen, und dort die Vergewisserung des Glaubens zu suchen. Dem sollen alle Gremien dienen, die eingefügt sind. Das 2. Vatikanische Konzil hat [1962-65, d. Red] dem zu starken Bild einer in Ober- und Unterordnung strukturierten Kirche den Begriff vom Volk Gottes, das auf dem Weg ist, entgegengesetzt und ausdrücklich betont. Ich bitte schon sehr, dass man das nicht vergisst.
Derzeit sorgt Ihr Amtsbruder Müller in Regensburg für Furore, indem er Laien-Gremien entmachtet. Setzt er damit nicht den neuen Trend für die Bischofskonferenz?
Ich denke, das deutsche Episkopat hat an seiner Haltung zur Mitverantwortung der Laiengremien nichts verändert. Wenn es da stellenweise Nachfrage gibt, wie von Bischof Müller, muss er das auch selbst verantworten. Ich glaube aber nicht, dass da auf der Bischofskonferenz ein großes Fass aufgemacht wird.
Ihr Amt wird durch Handauflegen verliehen. Was bedeutet das? Ist das ein reines Symbol?
Nein, das ist die Weihe, eines der sieben Sakramente der katholischen Kirche. Zu jedem dieser Sakramente gehört ein Zeichen und das Wort. Bei der Weihe sind das die Handauflegung mit Salbung und das das Gebet. Was dort geschieht, hat in Gott selbst und damit jenseits des Symbolischen eine Wirklichkeit. Das Gebet drückt die Bitte aus, dass der Heilige Geist wirken möge, was von Anfang an verheißen ist: Dass die Kirche nicht herausfällt aus der Gemeinschaft mit Christus, und dass diese Kette, die apostolische Sukzession – also die Nachfolge in der Verantwortung der Apostel – gestärkt ist. Das Priestertum – oder Bischofsamt – hat damit eine Verankerung im Ursprung und hebt sich von sonstigen beruflichen Zusammenhängen ab: Wenn jemand einen Auftrag erhält - das ist revidierbar. Die Weihe aber nicht.
Der Bischof kann aber doch abgesetzt werden?
Das ist richtig. Ein Bischof kann suspendiert werden und ein getaufter Christ seinen Kirchenaustritt erklären. Aber in der tiefsten gnadenhaften Wirkung wird nicht ausradiert, was an ihm geschehen ist. Wenn einer austritt und irgendwann feststellt, hoppla!, das war der falsche Schritt, wird er in einem Akt der Versöhnung wieder aufgenommen in die Gemeinschaft- aber nicht noch einmal getauft. Daran zeigt sich auch der unauslöschliche Charakter des Sakraments.
Als neuzeitlicher Mensch würde man sagen: Das muss ein inneres Ereignis sein. Wie fühlt sich das an?
Nein, nein, die Kirche ist kein spiritistischer Verein, der sich zurück zieht auf gefühlsmäßige Wahrnehmungen – der eine ruft dann laut Hallelujah, ich hab’s gespürt!, der nächste nicht. Nein, es macht sich fast in einer nüchternen Weise fest an äußerlich vollzogenen Riten. Dabei wird die gesamte Gemeinde herangezogen zur Bezeugung: Da geschieht etwas für uns, und mit uns und durch den Heiligen Geist. Handauflegung, Übergießen mit Wasser, Salbung eines Kranken… das alles bedeutet, dass das nicht nur Symbole sind, sondern, dass in diesem Moment etwas geschieht.
Wie politisch ist das Amt eines Bischofs?
Für mich ist es insofern politisch, als dass es immer wieder Fragen nach der Würde und dem Recht des Menschen betrifft. Es wird immer nötig sein, sich zu äußern, wenn Dinge zur Disposition gestellt werden, die das Recht auf Leben – am Anfang wie auch am Ende – beschneiden. Die einebnende Argumentation, dass man da nicht mehr genau hinzuschauen braucht, leuchtet uns weder theologisch noch anthropologisch so recht ein.
Das Thema begleitetes Sterben hatten Sie gleich beim Amtseid angesprochen…
Wir müssen aufpassen, dass da die Begriffe klar bleiben: In unserem Sinne meint Sterbebegleitung etwas, das der Würde des Menschen in der letzten Phase seines Lebens gemäß ist. Und Leben ist nur Leben in Begegnung: Ich bin kein exotisches Atoll. Und es ist nicht menschengemäß, jemanden zu sagen: Ich gehe jetzt dann kriegst du noch ‘ne Pille, die macht das Ganze nicht so schwer. Auch am Lebensende hat der Mensch das Recht, begleitet zu werden.
Mit der Forderung nach einer Bleiberechtregelung und einer vernünftigen Lösung „insbesondere für die Kinder“ haben Sie die Politik von Landes-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kritisiert, der hier Kompromisse ablehnt – und vorschlägt, Eltern abzuschieben, aber ihre Kinder im Land zu behalten. Eine Kampfansage?
Nein. Für mich war wichtig, diesen Aspekt zu verdeutlichen auch im Hinblick auf Wert und Würde der Familie. Wir können ja als Kirche nicht immer wieder betonen, wie wir die Familie schützen und stärken wollen und dem dann mit solchen Regelungen zuwider handeln. Ich habe das aber nicht als Ansage eines Konflikts verstanden. Mir geht es nicht um Positionsfestlegungen.