: Ferien im Mundgeruchland
Was faul ist im Staate Dänemark. Eine Kurzreise in die Karikatur eines Urlaubslandes
Dänemark ist in ins Gerede gekommen. Man könnte auch sagen: unter die Räder. Urlaubsexperten hatten das längst erwartet. Anders als von ihnen prophezeit, waren es aber keine traumatisierten Dänemarkurlauber, die da plötzlich dänische Fahnen und Botschaften abbrannten und zum Boykott dänischer Produkte aufriefen. Im Gegenteil. Die Menschen, die auf einmal alles brandschatzten, was nur halbwegs dänisch aussah und künftig auf so attraktive dänische Exportschlager wie Fischmehlpfannkuchen oder Fischkotzsülze verzichten, haben niemals ihre Ferien in Dänemark verbracht. Zum Glück. Denn was auch immer die islamischen Dänenstürmer so erzürnte. Hätten sie jemals Urlaub in Dänemark gemacht, sie hätten jetzt mit Sicherheit noch ein paar Gründe mehr, dieses Land zur Hölle zu wünschen. Wahrheit-Dänemark-Experte Fritz Tietz hat kürzlich ein paar dieser Gründe besichtigt. Abgründe allesamt.
Ich erreichte Dänemark am frühen Vormittag. Der Grenzposten winkte mich raus: „Snåpps? Ålkøll?“ – „Um diese Zeit? Kein Bedarf.“ Da hub der dänische Grenzer so was von zu zittern an, und ich kapierte. Der Typ wollte mir keinen ausgeben. Er musste dringend eingeschenkt bekommen. Ich gab ihm, was ich hatte. Ein Schluck, und das Kännchen Türschlossenteiser war leer. Dann durfte ich einreisen. Im Rückspiegel sah ich den Grenzer in seine Uniformhose delirieren.
Der erste Eindruck Dänemarks? Stach mir schon nach wenigen Kilometern pestilenst in die Nase. Fischmehlgestank, auch der „Ødem Danmarks“ genannt – der Mundgeruch Dänemarks. Oder war’s gar das Mehl von verdorbenem Aal, das hier sein laiches Bukett verströmte? Dass ein Grundnahrungsmittel so stinken kann.
Kurz vor Krøbsgeswør in der Grafschaft Hæresie sah ich eine Möwe straucheln. Dann schmierte sie ab. Sofort stürzten aus einer dieser typisch dänischen, kuhfladengedeckten Katen drei, vier weißbrotgesichtige Eingeborene hervor und überführten das verendende Tier noch an der Absturzstelle in die dänische Nahrungskette. Indem sie es roh verschlangen. Sie riefen mir „Wi arr rett, wi arr weit, wi arr dænisch Deinemeit“ zu. Ich sah zu, dass ich Land gewann. Zum Glück war gerade Ebbe.
Danmark. Auf Deutsch heißt das so viel wie: „Bürgersteige ganzjährig hochgeklappt.“ So las ich bei einer kurzen Rast im Windschatten eines hochgeklappten Bürgersteigs in „Sehenswürdiges Dänemark“. Schnell hatte ich das drei Seiten starke Buch durch. Zur Geschichte des Königreichs nur so viel: Galt lange Jahre als „zweitlangweiligstes Land der Welt“. Nach der Auflösung der DDR anno 1990 erhielt es das UNO-Prädikat: „das mit Abstand langweiligste Land der Welt“. Herzlichen Glückwunsch auch. Dass man hier nicht leben muss.
Bei Mågenødeeme nahe der Nordseeküste stieß ich endlich auf eines der unzähligen Wahrzeichen Dänemarks: Eine Grauen erregende Ferienhaussiedlung. Architektonischen Geschwüren gleich breiten sich an die zehntausend solcher „Touristengulags“, wie ein Überlebender diese „Ferienzentren des Grauens“ (amnesty international) einmal genannt hatte, über fast das gesamte dänische Staatsgebiet aus. Wie ausgestorben lag diese knapp hamburggroße Siedlung da. Mir lief es kalt den Rücken runter. Ich dachte erst, vor Entsetzen. Aber es war nur der ewige dänische Regen, der mir hinten rein lief.
Man muss wohl die schrecklichen Urlaubsbedingungen in solch einer daueröden nordischen Pittoreske selbst einmal erlitten haben, um ihr ganzes Elend ermessen zu können. Selbst wer in einem palästinensischen Flüchtlingslager wohnt oder schon mal „all inclusive“ in Guantánamo auf Kuba logierte, wird von der Brutalität einer dänischen Ferienhaussiedlung unangenehm überrascht sein.
Ich betrat eines der muffigen, fünf Meter hoch umheckten Ferienhäuser. Etliche zerlumpte Gestalten hockten da rund um einen astgelöcherten Kiefernholztisch, der übrigens bei Bedarf in zehn Schlafplätze umzuwandeln war, wie ich sofort erkannte. Denn das weiß man ja: Jedes Möbel in einem dänischen Ferienhaus ist zugleich auch Bett. Kühlschrank inklusive. Einige der knapp drei Dutzend Bewohner dieses Hauses schienen schon vor einiger Zeit verstorben zu sein. Die noch nicht ganz so Mumifizierten spielten Malefiz. Deutsche Feriengäste, wie sich herausstellte. Seit 13 Jahren im dänischen Zwangsurlaub. Sie hatten ihren Bettenwechsel verpasst. Bettenwechsel, so heißt man in Dänemark den Abreisetag. Wer den versäumt, muss für immer bleiben. So schreiben es die dänischen Knebelverträge vor, die nicht von ungefähr als die knebeligsten der Welt gelten.
„Hej!“ Ein Mann mit rot-weiß gestreiftem Wikingerhelm auf dem walrossartigen Dez kam plötzlich reingeschneit. Seine Haifischharpune war schussbereit, der Ferienhausvertrag, den er mir vorhielt, unterschriftsreif. Jetzt bloß nichts überstürzen. Ich fingerte heimlich nach dem Pølser, wie die Dänen Würstchen nennen, den ich mir vorhin vorsichtshalber an einem Hot-Dog-Automaten gezogen hatte, und wurde nicht enttäuscht: Der Saitling war steinhart. Kurzerhand zog ich dem Wikinger mit dem ollen Würstchen eins drüber. Dann verschwand ich aus Dänemark. Für immer. FRITZ TIETZ