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Archiv-Artikel

Plutonium für AKW Gundremmingen

Größter deutscher Reaktor wird noch mehr Plutonium verwenden als bisher. Kernphysiker warnen, dass das AKW damit unsicherer wird, weil sich der Anteil der langsamen Neutronen verringert. Bayerisches Umweltministerium sieht kein Problem

VON KLAUS WITTMANN

Im größten deutschen Atomkraftwerk im schwäbischen Gundremmingen sollen künftig Brennelemente mit einem noch höheren Plutoniumanteil eingesetzt werden. Dies gab gestern das Atomkraftwerk bekannt. Seit zehn Jahren werden dort neben herkömmlichen Uranbrennstäben auch so genannte Mischoxid-, kurz MOX-Brennelemente verwendet. Sie enthalten im Gegensatz zu den Uranbrennelementen auch das hochgiftige Plutonium. Denn die Atomindustrie steht vor einem ungelösten Entsorgungsproblem: Bei jeder Kernspaltung in den Reaktoren entsteht Plutonium – der giftigste Stoff der Welt, der sich auch für Atombomben verwenden lässt. Ein Endlager dafür gibt es bisher nicht, daher ist die Wiederverwertung attraktiv, die das Entsorgungsproblem zumindest zeitlich verschiebt.

Vor zehn Jahren hatten über 40.000 Menschen vergeblich Einwände gegen den Plutoniumeinsatz in Mischoxidbrennelementen erhoben. Raimund Kamm von den schwäbischen Atomgegnern spricht denn auch von einer „dreisten Lüge, wenn jetzt eine ideale Entsorgung versprochen“ werde. Schon das Einatmen von einem Millionstel Gramm Plutonium könne Lungenkrebs erzeugen. Zudem würden auch die Probleme größer, den Reaktor sicher zu „fahren“.

Karin Wurzbacher vom Umweltinstitut München stimmt zu: „Das Neutronenspektrum verändert sich“, erklärt die Kernphysikerin. „Wenn man den Plutoniumanteil erhöht, steigt die Zahl der schnelleren Neutronen.“ Gerade die langsameren Neutronen würden aber zur Regelung des Atomreaktors verwendet.

Dem Atomkraftwerk Gundremmingen hält Wurzbacher zugute, dass der Plutoniumanteil in den vergangenen Jahren erst nach und nach gesteigert wurde. So habe man zunächst Erfahrungen mit den MOX-Brennelementen gesammelt. „Die abgebrannten Brennelemente brauchen aber eine viel längere Abklingzeit“, warnt die Kernphysikerin, „die Brennstäbe kommen heißer aus dem Reaktor.“ Daher könnten weniger Brennelemente in einem Castor gelagert werden.

„Die Behauptung der Betreiber, man habe die beste Lösung zur Plutoniumentsorgung gefunden, ist schlichtweg falsch“, sagt Wurzbacher. Stattdessen habe man sich mit dem höheren Plutoniumanteil in den Brennstäben den gefährlichsten Weg herausgesucht. Viel einfacher wäre es, das Plutonium direkt zur Entsorgung vorzubereiten – durch Verglasung oder Verpackung in doppelt gesicherten Atombehältern.

Im bayerischen Umweltministerium teilt man die Bedenken nicht. Ein Sprecher sagte, ein Sicherheitsexperte sei auf dem Weg nach Gundremmingen, um die Genehmigung zu erteilen. Es sei zwar richtig, dass sich der Anteil der langsamen Neutronen verringere. Der Reaktor sei aber genauso steuer- und regelbar wie bisher. „Wenn man schon mit Kernkraft hantiert, kann man auf diese Weise das Optimum herausholen.“ Zudem ergäbe sich dadurch weniger waffenfähiges Plutonium.