: Streichen, Sparen, Kürzen – wie noch nie
Von heute an wird an der Uni Bremen um die Zukunft verhandelt: Ein Fünftel aller Professuren soll bis 2015 gestrichen werden – und das bei steigenden Studierendenzahlen. Ungeschoren bleiben aber die Hoffentlich-Exzellenz-Bereiche
Bremen taz ■ Vom „biologischen Modell“ sprechen die einen, von politisch motivierter Altlastentsorgung die anderen. Fakt ist: An der Bremer Universität wird gekürzt wie nie zuvor. Es ist nur noch nicht ganz klar, wo. Das soll ab heute in den „Fachbereichsanhörungen“ entschieden werden. Hier können sich alle Fakultäten zum Streichentwurf der so genannten „HEP-Kommission“ äußern, benannt nach dem „Hochschulentwicklungsplan“. In dessen aktueller, fünfter Auflage werden die der Unizur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bis zum Jahr 2015 festgelegt. Obwohl die Planungen „ausdrücklich Entwurfscharakter“ haben, scheint das Schicksal vieler Studiengänge besiegelt.
58 von derzeit 287 besetzten Professuren und Juniorprofessuren sollen bis zum Ende des Planungszeitraumes 2015 ersatzlos gestrichen werden. Dabei beginnt die letzte Kürzungsrunde des HEP IV gerade erst zu greifen. Vor dessen Umsetzung, im Jahr 2001, waren noch 330 Professuren besetzt – bei damals rund 21.000 Studierenden. Bei kontiniuerlichem Anstieg der Studienrendenzahlen kämen im Jahr 2015 ziemlich genau doppelt so viele Studierende auf einen Professor als noch vor zwei Jahren.
Die Streichliste orientiert sich nicht an Profilen – wohl wegen der Unkündbarkeit verbeamteter ProfessorInnen. So hat sich die Kommission offenbar häufig für die Streichung von Planstellen entschieden, deren Inhaber aus Altersgründen ausscheiden.
Wenn die heute beginnenden Anhörungen zum Hauen und Stechen ausarten mögen, können sich die Vertreter der Produktionstechnik und der Physik vornehm zurückhalten. Sie nämlich dürfen ihren Personalbestand nahezu ohne Kürzungen bis 2015 aufrecht erhalten.
„Wer hat, dem wird gegeben“ gilt für die Soziologie und die marine Geophysik, denen der kürzliche Etappensieg in „Exzellenzwettbewerb“ um Bundesförderung Einschnitte erspart haben dürfte. In den Geistes- und Sprachwissenschaften bleiben Religion, Romanistik und Linguistik ebenso ungeschoren wie die Gesundheitswissenschaften. Schlechte Karten hingegen für die personalintensive Chemie. In Konkurrenz mit der Elektrotechnik zog sie den Kürzeren – wegen „unauffälliger“ Platzierungen in Forschungsrankings. Hinzu kommt ein voll ausgebauter Chemiestudiengang in Oldenburg. Urteil für Bremen: „Nicht erhaltenswert.“ Die bestehenden Lehrstühle sollen bis zur Emeritierung der Inhaber in anderen „Lehrzusammenhängen“ untergebracht werden.
Keine Gnade auch für die Behindertenpädagogik. Alle Lehrstühle sollen abgeschafft werden, angeblich wegen zu hohen Stellenbedarfs. Dabei bewegt sich der Studiengang mit fünf Professuren am unteren Ende. Auch den Sportwissenschaftlern half aller Protest nichts. Wie befürchtet, sollen zwei von drei Professuren dran glauben. Ob die einzige verbleibende Lehrkraft den Betrieb aufrechterhalten kann, wird von Studierenden bezweifelt.
Christian Jakob