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Archiv-Artikel

Entwicklungshilfe mit fränkischem Akzent

Wie der Theologe Frank Weber in der Kugellager-Metropole Schweinfurt das Engagement für Straßenkinder entfachte

SCHWEINFURT taz ■ Der Papst hat ihn empfangen, halb Unterfranken ist stolz auf ihn, und der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker unterstützt seine Projekte seit vielen Jahren. Seit 20 Jahren macht Frank Weber mit seiner „Straßenkinderhilfe e. V.“ in Bolivien erfolgreiche Arbeit mit Straßenkindern, seit kurzem auch in Brasilien. Und das alles organisiert Weber aus einer Kleinstadt in der fränkischen Provinz. Er hat Schweinfurt, das zuvor allenfalls für seine Kugellager-Fabriken bekannt war, zu einem Zentrum der deutschen Entwicklungshilfe gemacht: ein unterfränkisches Modellunternehmen.

Spielfilm im Stadttheater

Der ehemalige Theologiestudent ist auf dem besten Wege, nach dem Dichter Friedrich Rückert zum bekanntesten Sohn der Stadt zu werden. Immer wieder holt Weber seine Jugendlichen aus dem bolivianischen Cochabamba zu Theater-, Musik- und Kunstveranstaltungen ins Fränkische. Diese Tourneen bilden zusammen mit den Veröffentlichungen seines „Telar“-Verlages die finanzielle Grundlage für seine entwicklungspolitische Arbeit. Kürzlich hat Weber im Schweinfurter Stadttheater seinen ersten Spielfilm „Los Abandonados – Die Verlassenen“ aufgeführt.

Angefangen hat diese Verbindung von Kinderhilfe, Tourneen und Direktvermarktung 1986. Über 140.000 Mark hatte Webers Straßenkindertruppe damals bei ihrer ersten Deutschland-Tournee mit dem Stück „Los Abandonados“ eingespielt, und das in einem Zeitraum von nur drei Monaten. Ein Jahr zuvor war Weber in ein Priesterseminar ins bolivianische Cochabamba gekommen, hatte aber dann vier Monate lang mit Straßenkindern auf der Straße gelebt. Danach kaufte er mit der Unterstützung von Freunden kurzerhand ein altes Haus und zog dort mit sieben Kindern ein. Insgesamt 37 Kinder hat er dort inzwischen großgezogen.

Von Anfang an legte Weber Wert darauf, seine Projekte durch künstlerische Arbeit aller Beteiligten weitgehend selbst zu finanzieren. Nach und nach entstanden so drei Gemeinschaftshäuser, eine Künstlerwerkstatt, eine Strickerei und schließlich eine Schule für Arme. Dieses „Centro Educativo Richard von Weizsäcker“ gilt inzwischen als eine der besten Schulen Boliviens. Es kommt bei etwa 400 Schülern bis heute ganz ohne Zuschüsse von staatlichen oder kirchlichen Institutionen aus.

Kultur statt Almosen

Dabei kommen höchstens ein Drittel seiner laufenden Kosten, die sich inzwischen auf über 300.000 Euro pro Jahr belaufen, aus Spenden zusammen. Der Rest wird durch Unternehmungen aus eigener Kraft finanziert. Das gibt seinen Schützlingen Selbstbewusstsein, statt sie zu Almosenempfängern zu machen. Nicht Mildtätigkeit soll Webers Projekte befeuern, sondern Interesse und Neugier.

Im Theaterstück „Los Abandonados“ geht es um eine realistische Selbstdarstellung, nicht darum, Mitleid zu wecken. In dem Film will ein etwas tumber deutscher Regisseur – gespielt von der TV-Legende Dietmar Schönherr – das Stück mit einer Art Mitleidmasche inszenieren, was zu heftigen Konflikten mit den Darstellern führt. Wer weiß, wie engagiert Schönherr selbst seit 20 Jahren das Hilfsprojekt „Casa de los Tres Mundos“ in Nicaragua betreibt, nimmt ihm die lehrstückhafte Naivität, die er im Film zur Schau stellt, freilich nicht ganz ab.

Buchveröffentlichungen, Vorträge, Schulpartnerschaften und immer wieder Tourneen haben Frank Weber in der Region um Schweinfurt eine große Fangemeinde verschafft. Von der Kreissparkasse bis zur Kugellagerfabrik, vom Stadttheater bis zur Diözese, vom Bäcker bis zum Landrat – Unterstützer hat Frank Weber überall, wo man Fränkisch spricht.

THOMAS PAMPUCH