: Ein bisschen wie Rock’n’Roll
FERNE MUSTER Im friesischen Varel sitzt Simon David Bartmann, der Handtaschen aus indischen Teppichen macht. Er hat den norddeutschen Markt schon sehr schön aufgemischt
VON THOMAS JOERDENS
Ein rot geklinkertes Mehrfamilienhauses in dem friesischen Städtchen Varel, Erdgeschoss. Simon David Bartmann, blonde Tolle, bunte Tattoos auf Arm und Brust, sitzt auf seinem Wohnzimmersofa und zeigt die „Pradesh Million“. Das ist eine schlichte Damenhandtasche mit einem schwarzweißen Schachbrettmuster aus seiner ersten Kollektion, die der Jungunternehmer unter dem Label „Gocha Foru“ vertreibt. Er ist stolz. Und dann noch die „Mumbai Night“: ein schmales, fransiges Ausgehtäschchen, das aussieht, als komme frau mit einem Miniteppich ins Theater.
Die „Gocha Foru“-Taschen bestehen größtenteils aus Teppich. Simon David Bartmann lässt in der Nähe der indischen Stadt Delhi nach seinen Farb- und Musterideen traditionellen Kelim weben. Der indische Teppich hebt die norddeutschen Kreationen auf dem unübersichtlichen Taschenmarkt aus der Masse heraus.
„Ich habe einen Taschenfimmel“, erzählt der 27-jährige gebürtiger Jeveraner und schwärmt von dem „wunderschönen Produkt“, das so vielfältig in Formen und Materialien sein kann und ihn wegen der Vielgestaltigkeit „ein bisschen an Musik“ erinnert.
Der ehemalige Eishockeyspieler und Ex-Shouter einer Hardcore-Punkband trägt selbst keine Handtaschen. Aber seine Freundin und Beraterin Jana Papenhausen, mit der er gerne shoppen geht und dabei die Modewelt scannt, tut es. Und den Traum von der eigenen Firma, die seine Taschen unters Volk bringt, hat Bartmann schon oft geträumt.
Im realen Leben hat der Friese zunächst eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert. Anschließend hat er als PR-Mann gearbeitet und ein paar Semester Jura studiert. Die Taschen schwirrten ihm währenddessen zwar stets durch den Kopf. Aber das war weit entfernt von einer konkreten Geschäftsidee. „Bis mir in einer stillen Stunde“, sagt er, „die Idee mit den Kelims kam.“ Dies war vor vier Jahren. Seitdem baut Bartmann ernsthaft sein Unternehmen auf. Rund 40.000 Euro hat er bisher investiert.
Auf der Suche nach dem richtigen Design, den passenden Farben und den perfekten Materialien hat sich der Taschenmann dann einen Prototypen genäht – mit der Nähmaschine von Janas Mutter. Er zeichnete Entwürfe, kombinierte die Tasche mit Damengarderobe, grübelte über Muster, verwarf Ideen – und wollte die Teppichtasche schon so manches Mal an die Wand klatschen. Eins hat Bartmann dabei gelernt: „Man braucht Ausdauer.“
Drei, vier Mal ist der Quereinsteiger auch für mehrere Wochen nach Indien gereist. „Ich brauchte einen Kelim-Lieferanten, der hochwertige Ware unter ethischen und sozialen Gesichtspunkten einwandfrei herstellt“, sagt Bartmann. Das heißt unter anderem: Keine Kinderarbeit sowie faire Löhne und Arbeitsbedingungen. Vor zweieinhalb Jahren fand er schließlich einen entsprechend zertifizierten Weberei-Unternehmer, mit dem Simon David Bartmann mittlerweile befreundet ist.
Den Rest wollte Bartmann in Deutschland produzieren lassen. Das wusste er von Anfang an. In der Nähe von Stuttgart hat er dann eine Näherei ausfindig gemacht, die die Taschen fertigt. Ein anderes Familienunternehmen aus der Nähe von Bologna liefert das Leder. Diese naturbelassenen und samtweichen Rindshäute werden zum Beispiel für Riemen und Böden der Taschen verwendet.
Mit seinen fair gehandelten Qualitäts-Taschen will Simon David Bartmann ein Lebensgefühl vermitteln, das „irgendwo zwischen kosmopolitischer Urbanität, Rock’n’Roll-Lifestyle und Bollywood-Exotik“ mäandert. Ursprünglich sollte das Label „Go For Charu“ heißen. Der englisch-indische Mix bedeutet in etwa „Setz dich für Schönheit ein“. Simon David Bartmanns indischer Weberei-Partner verstand allerdings nur Bahnhof und wiederholte in seinem Dialekt immer „Gocha Foru“. Das fand der Label-Gründer viel besser – und änderte den Namen.
Simon David Bartmann ist einerseits ein fast versponnen wirkender Selfmademan. Andererseits ist er Unternehmer und Verkäufer. Er kehrt den Marketing-Profi raus, wenn er von Markenidentität und Alleinstellungsmerkmal spricht. Und seine unternehmerischen Ziele definiert er so: „In drei bis fünf Jahren sollen sich die Umsätze im sechsstelligen Bereich bewegen und unsere Produkte in 200 Geschäften wie bei ‚Leffers‘ oder im ‚Kadewe‘ verkauft werden.“
Im selben Zeitraum will Bartmann mit „Gocha Foru“ zu den großen Berliner Konkurrenz-Labels „Liebeskind“ und „FredsBruder“ aufgeschlossen haben. Aktuell kann man die „Gocha Foru“-Taschen, die zwischen 40 und 180 Euro kosten, online bestellen oder in 15 Läden kaufen – in Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Schweden und in den Niederlanden. 15 Boutiquen – das klingt bescheiden. Wenn man aber bedenkt, dass Bartmann bei einer Hamburger Fachmesse im vergangenen Oktober erstmals öffentlich seine Kollektion präsentierte, ist es doch recht viel.
„Wir kamen super an!“, freut sich Bartmann. Seit der Messe gehen auch die Verkaufszahlen steil nach oben. Der Online-Shop ist gerade ausverkauft. Die Wartezeit liegt bei zwei bis drei Wochen.
Kein Zweifel, „Gocha Foru“ wächst. Damit dies so bleibt, organisiert der Ein-Mann-Unternehmer von seinem Wohn-Atelier-Büro in Varel die Vertriebslogistik und entwickelt die Kollektion ständig weiter. Im nächsten Jahr zum Beispiel wird „Gocha Foru“ neben zehn frischen Sommerfarben auch zwei neue Taschenmodelle anbieten. Und für die darauf folgende Saison denkt Bartmann über Accessoires wie Portemonnaies und Schals nach sowie über sogenannte Weekender. Mit diesen kleinen Unisex-Reisetaschen will der „Gocha Foru“-Chef auch die Männer animieren, Teppiche endlich mit neuen Augen zu sehen.
„Gocha Foru“-Label-Party mit DJ Sharam Jey: Samstag, 10. August, 21 Uhr; Beachclub „Sonnendeck“, Dangast/Varel. Eintritt 10 Euro www.gochaforu.com