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Archiv-Artikel

Bürgerfunk soll Leistung zeigen

Der NRW-Bürgerfunk soll künftig nach Qualität finanziert werden, fordert die Landesanstalt für Medien. Laut einer neuen Analyse wird viel Musik und wenig Politik gesendet. „Nicht fair“ sei diese Kritik, meinen die Bürgerfunker

DÜSSELDORF taz ■ Die Landesanstalt für Medien (LfM) will mehr Einfluss auf den Bürgerfunk in Nordrhein-Westfalen nehmen. „Die Förderung mit der Gießkanne muss ein Ende haben“, sagte Jürgen Brautmeier, der stellvertretende Direktor der Landesmedienanstalt, gestern in Düsseldorf. Das Landesmediengesetz müsse so geändert werden, dass die 1,9 Millionen Euro, mit denen die Landesanstalt jährlich die Bürgerfunker unterstützt, nach Leistung vergeben werden könnten. Auf diese Weise würde sich gezielt die Qualität des Bürgerfunks verbessern lassen, den derzeit rund 2.700 Gruppen in 150 anerkannten Radiowerkstätten produzieren und der über die jeweiligen privaten Lokalradios ausgestrahlt wird. Entsprechende Regelungen seien bei Offenen Kanälen im Kabelfernsehen „längst gang und gebe“, sagte Brautmeier.

Brautmeier bemängelte Schwächen im Bürgerfunkprogramm. So liege der Musikanteil nach einer Untersuchung, die die LfM gestern vorstellte, bei rund 70 Prozent – was in etwa dem Anteil bei Eins Live entspricht. Politik im engeren Sinne komme zu wenig vor, häufig fehle dabei auch noch der Lokalbezug. In zehn von 46 Sendegebieten sei Politik gar kein Thema (siehe Kasten). Außerdem werde zu wenig mit verschiedenen Formaten gearbeitet: Nach der Untersuchung des Instituts für Medienforschung lieben die geschätzten 18.000 aktiven Bürgerfunker in NRW vor allem das Interview. „Der Bürgerfunk ist erstaunlich wenig experimentierfreudig“, sagte Helmut Volpers vom Institut für Medienforschung. Reportage, Feature oder Hörspiel seien Ausnahmen im Programm.

Allerdings gebe es nicht „den“ Bürgerfunk, stellte der Medienwissenschaftler klar. So wird in Hagen zum Beispiel überdurchschnittlich viel Musik ausgestrahlt, während die Duisburger Hobby-Radiomacher stark auf Wortbeiträge setzen. Da die Hörer jeweils nur das Bürgerradio empfangen, das in ihrem Sendegebiet ausgestrahlt wird, präge dieses auch den Gesamteindruck vom Medium Bürgerradio. So könne ein Sender schon mal das Image des gesamten Bürgerfunks ruinieren, warnte Volpers – was „tragisch“ sei, denn: „Der Bürgerfunk ist besser als sein Ruf.“

Volpers sieht die Radio-Amateure in einem strukturellen Dilemma: Einerseits verlangten die Lokalradios, das Programm an das ihre anzugleichen. Andererseits werde vom Bürgerfunk erwartet, dass er die politische Partizipation der Bürger fördert und Medienkompetenz vermittelt. Einige Bürgerfunker, die bei der Präsentation der Studie in Düsseldorf anwesend waren, kritisierten es denn auch als „nicht fair“, ihnen den hohen Musikanteil vorzuwerfen: In Qualifizierungsseminaren werde ihnen schließlich beigebracht, sich an den Hörgewohnheiten des Publikums zu orientieren – und Musik aufzulegen. DIRK ECKERT