: „Völlig überfordert“
Plädoyer vor dem Landgericht: Staatsanwalt fordert Bewährungsstrafen für Michelles Eltern
Für den Tod der kleinen Michelle und die Vernachlässigung ihrer fünf Geschwister hat der Staatsanwalt vor dem Landgericht gestern Bewährungsstrafen von je zwei Jahren für die Eltern gefordert. Die Zweieinhalbjährige war im Juli 2004 an den Folgen einer unbehandelten Mandelentzündung gestorben. Ihre Eltern hatten laut Anklage keine ärztliche Hilfe für sie geholt. Der 29-jährigen Mutter und dem 35 Jahre alten Vater werden fahrlässige Tötung und Verletzung ihrer Fürsorgepflicht zur Last gelegt.
Vor Michelles Tod hatten sich die Eltern nach den Worten des Staatsanwalts 23 Stunden lang nicht um das kranke Kind gekümmert. Die Pflege und Unterstützung für alle Kinder, die extreme Rückstände in der körperlichen und seelischen Entwicklung zeigten, sei schon längere Zeit ungenügend gewesen. Betreuende Sozialarbeiterinnen hätten sich von falschen Angaben der Mutter blenden lassen.
„Die Eltern waren mit der Situation völlig überfordert und wussten sich nicht mehr zu helfen“ sagte der Staatsanwalt. Die geforderten Strafen erschienen „auf den ersten Blick“ milde, seien aber im oberen Bereich der Gesetze. Der Mutter räumte er wegen einer Persönlichkeitsstörung eine Strafminderung ein.
Der Prozess um Michelles Tod sei nicht mit dem Fall Jessica zu vergleichen, betonte er. Deren Eltern hatten ihr Kind qualvoll verhungern lassen und waren wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Die Verteidiger sahen bei beiden Eltern keine Schuld am Tod Michelles. Wegen der Vernachlässigung der Kinder forderten sie aber Bewährungsstrafen von einem Jahr für die Mutter und eineinhalb Jahren für den Vater. Der räumte noch einmal ein, große Fehler bei der Versorgung der Kinder gemacht zu haben. Den Eltern ist das Sorgerecht entzogen. Auch ein siebtes Kind, das die Angeklagte Mitte März erwartet, wird dem Staatsanwalt zufolge wohl der Obhut des Jugendamts unterstellt.
Das Urteil soll am 22. Februar verkündet werden. dpa/taz