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Archiv-Artikel

Der Tabakjurist

Kennen Sie zufällig das Video der Ärzte zu „Rock ’n’ Roll Übermensch“? Darin parodiert sich die selbst ernannte „beste Band der Welt“ als abgehalfterte Truppe von Altstars, die mit einem Möbelhausauftritt ihre letzte Runde drehen: „Eine Combo, die früher viel Erfolg hatte“, kündigt sie der Verkäufer an. So ähnlich müssen Sie sich jedenfalls den Auftritt von Udo Di Fabio vor der Tabaklobby im Berliner Hotel Adlon am Dienstag vorstellen.

Di Fabio war mal Richter am Bundesverfassungsgericht, von 1999 bis 2011, und dort ein Star der Konservativen. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft wählte ihn 2005 zum „Reformer des Jahres“.

Nun also der Auftritt vor dem Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR). Di Fabio spricht über die geplanten EU-Regelungen zum Tabakverkauf, malt das Gespenst eines wachsenden Schwarzmarkts an die Wand, falls der legale Tabakhandel immer weiter reglementiert würde, etwa durch große „Schockfotos“ auf Zigarettenpackungen. „Die Bürger werden gegen die Wirtschaft in Stellung gebracht“, sagt er. Bei solchen Sätzen nickt die junge Mitarbeiterin einer CDU-Abgeordneten hinten im Saal so heftig, dass man fürchtet, sie könnte vom Stuhl fallen. Natürlich gibt es das Gutachten Di Fabios nicht schriftlich, das der VdR in der Einladung angekündigt hatte – einer der üblichen Tricks der Berliner Lobbyarbeit.

Das Wort Lobby weckt bei vielen Assoziationen von Hinterzimmerdeals in eleganten Regierungsgebäuden. Aber manchmal meint es nur einen früheren Verfassungsrichter, der seine letzte Runde mit einem Vortrag für die Tabakindustrie in einem Nebenraum zwischen Grünpflanzen und griechischen Statuen dreht. Immerhin ist es das Adlon, kein Möbelhaus.

MARTIN REEH