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Archiv-Artikel

Von der Marke zur Masse

Auf der international bedeutendsten Messe rund um ökologische Produkte, der BioFach in Nürnberg, kann auch in diesem Jahr wieder ein deutliches Stück Wachstum begutachtet werden. Der Weg zum Massenmarkt ist aber immer noch weit

VON TILMAN VON ROHDEN

Bioprodukte sind ein medialer Dauerbrenner: Seit Jahren wird verkündet, der große Durchbruch stehe unmittelbar bevor – mit einer Regelmäßigkeit, die jeden Chronometer das Fürchten lehrt. Doch die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Bioprodukte werden von den meisten gelobt, aber von nur wenigen auch wirklich gekauft. Ihre größten Erfolge feiern Öko und Bio als Medienstars in Talkshows und Zeitungen. Und zu allem Unglück müssen Bioprodukte jetzt auch noch auf ihre beste Promotorin verzichten – auf Renate Künast. Sie gab Rindern, Schweinen, Eiern, Kartoffeln und dergleichen aus biologischem Anbau wenigstens eine mediale Identität. Künast war die Marke und Bio ihre Message. Zwar konnte sie das Thema vorwiegend nur im Fernsehen platzieren und mit deutlich weniger Erfolg in den Küchen, doch selbst damit ist jetzt Schluss. Denn der neue Minister für Landwirtschaft, Horst Seehofer (CSU), kommt einfach nicht so gut rüber wie seine Amtsvorgängerin. Er wird nie zum Starpromotor aufsteigen – weder für Bioprodukte noch für sonst was. Er ist nicht weniger klug als Künast und versucht deshalb erst gar nicht, sich mit der Exministerin und ihrem Programm zu messen. Seehofer hat sich offensichtlich eine neue Botschaft überlegt: konventionelle Landwirtschaft und Gentechnik. Wenn ihm dabei der gleiche Erfolg beschieden ist wie seiner Amtsvorgängerin, besteht aber kein Grund zur Panik: Im Vergleich zu ihrer beeindruckenden Medienperformance fallen die gesamtgesellschaftlichen Folgen bislang noch eher bescheiden aus.

Ganze 2,4 Prozent beträgt in Deutschland der Bioanteil am gesamten Lebensmittelmarkt. Die Lobby feiert unverdrossen. „Bio boomt, wird zum Global Player und Börsenhit, hat einen festen Platz in Gesellschaft und Wirtschaft“, sagte Künast zum Beispiel auf der BioFach 2005.

Diese Messe ist das jährlich wiederkehrende Biofest der Branche. Keine andere Veranstaltung kann sich mit dieser mehrtätigen Nürnberger Messe (heuer vom 16. bis 19. Februar 2006) auch nur entfernt messen. Sie ist stark international ausgerichtet. Die gut 2000 Aussteller kommen zu mehr als zwei Dritteln aus rund 70 mehr oder weniger fernen Ländern, um sich den zu erwartenden rund 33.000 Fachbesuchern zu präsentieren. Diese Zielgruppe reist zu schätzungsweise rund einem Drittel aus dem Ausland an. Zu sehen gibt’s wesentlich mehr als Biomöhrchen und Vollkornwaren. Neben Biolebensmitteln, Naturtextilien, Accessoires und sonstigen Naturwaren steht der BioFach-Kongress mit Fachvorträgen und Workshops.

Eine wesentliche Rolle spielt die Naturkosmetik. Dafür gibt es eine eigene Fachmesse unter dem Dach der BioFach. Rund 200 Aussteller für Naturkosmetik werden erwartet. Die Fachmesse ist nach Angaben des Veranstalters die international bedeutendste Messe auf diesem Gebiet. Auf der Messe wird das Thema Biowein ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen. Damit liegt sie voll im Trend. Denn die Weinregale im Biohandel werden länger und länger. Auch der herkömmliche Lebensmittelhandel öffnet sich für das Thema. Und bei den Erzeugern von Topgewächsen gewinnt der Bioanbau zunehmend Akzeptanz. Immerhin arbeiten im deutschen Eliteweinclub VDP (Verband der deutschen Prädikatsweingüter) bereits 10 Prozent der Mitgliedsbetriebe nach Biorichtlinien. Tendenz steigend.

Der weltweite Bioumsatz wuchs im Jahr 2004 nach Schätzungen des Londoner Marketing- und Beratungsunternehmens Organic Monitor um rund 6 Prozent auf 21,7 Milliarden Euro. In Deutschland legte der Bioumsatz letztes Jahr gar um 13 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro zu. Das sind beeindruckende Zahlen, solange man sie nicht in Relation zum weltweiten oder nationalen Gesamtumsatz der Branche setzt. Dann sieht die Biobranche ziemlich mickrig aus. Die Gründe dafür sind beim Verbraucher zu suchen. „Man sollte nicht auf den Ökos rumhacken. Das eigentliche Problem ist doch, dass die Deutschen das Zeug nicht kaufen. Zwei Drittel der Bundesbürger interessieren sich immer noch mehr für Niedrigpreise als für die Qualität“, sagte der Fachjournalist und Buchautor Hans-Ulrich Grimm anlässlich der BioFach 2005 gegenüber der taz.

Warum die BioFach eine Fachmesse ist, will sich einem vor diesem Hintergrund nicht erschließen. Wer keine Käufer hat, muss alles dafür tun, dass er sie gewinnt. Warum also dürfen Endverbraucher nicht auf die Messe? Warum brüstet sich die Messe mit 700 akkreditierten Journalisten und nicht mit 70.000 ökointeressierten Verbrauchern? Befürchten die Veranstalter Verhältnisse wie auf der „Grünen Woche“, die mit ihren rund 400.000 Besuchern jedes Maß und Niveau jedes Jahr aufs neue sprengt? Petra Trommer vom Veranstalter Nürnberger Messe verteidigt das Konzept: „Dies ist der erklärte Wunsch der Aussteller. Sie würden wegbleiben, wenn die BioFach eine Publikumsmesse wäre. Die Aussteller wollen Geschäfte machen.“

Dass beides sich nicht ausschließen muss, lässt sich an der Grünen Woche beobachten. Der eigentliche Messeerfolg sind Vertragsabschlüsse im dreistelligen Millionenbereich, Einnahmen von 40 Millionen Euro durch die genussfreudigen Besucher und ein 14-tägiges Remmidemmi in den Medien, das von rund 4.300 vor Ort berichtenden Journalisten veranstaltet wird. Anschließend findet der Hype in den Küchen statt. Mediale Dauerbrenner sind dagegen ein untrügliches Zeichen dafür, dass es noch viel zu tun gibt.