: Soldaten zur WM: Jetzt nicht mehr oder jetzt erst recht?
SPD und Opposition sehen sich vom Karlsruher Urteil prinzipiell bestärkt: Keine Bundeswehr im Innern. Union findet, der Weg ist nun eröffnet
BERLIN taz ■ Sie waren die Streber der frischgebackenen schwarz-roten Koalition. Als Erste rannten die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Verteidigung“ in den Koalitionsverhandlungen vergangenen Oktober vor die Tür und verkündeten große Harmonie in Fragen von Bundeswehr und Krieg und Frieden.
Die Einigkeit war leicht erkauft: SPD und Union hatten beschlossen, den unausweichlichen Streit um die Bundeswehr im Innern bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz zu verschieben.
Das gestrige Urteil hat nun zunächst die SPD – und mit ihr die Opposition aus FDP, Linken und Grünen – bestärkt. Denn grundsätzlich haben die Richter erklärt, das Grundgesetz stecke jeglichem Einsatz der Bundeswehr im Inland sehr enge Grenzen. SPD-Fraktionschef Peter Struck erklärte, so habe sich auch die Frage erledigt, Soldaten im größeren Maßstab bei der Fußball-Weltmeisterschaft einzusetzen. „Der Bundesinnenminister sollte seine entsprechenden Bemühungen einstellen.“
Auch Struck konnte jedoch nicht sagen, wie die Koalition nun das Luftsicherheitsgesetz umschreiben will, damit es verfassungsgemäß ist – und ob nicht das Grundgesetz dazu in jedem Fall verändert werden muss. Wie ein Terrorangriff aus der Luft abgewehrt werden könne, damit habe das Gericht die Politik allein gelassen. „Insofern hat uns das Urteil eine Verantwortung übertragen, der wir nur schwer gerecht werden können“, erklärte Struck.
Die Unions-Länderfürsten interpretierten das Urteil dagegen als Aufforderung, das Grundgesetz zu ergänzen. So könne nicht nur das Luftsicherheitsgesetz verankert werden, sondern auch der Weg generell für Bundeswehreinsätze im Inland bereitet werden. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) verlangte hierbei Tempo. „Gut drei Monate vor der Weltmeisterschaft in Deutschland muss jetzt hier Klarheit geschaffen werden“, sagte Stoiber. CDU und CSU hätten ja bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt.
Volker Kauder, Chef der Unions-Bundestagsfraktion, blieb dagegen zurückhaltend: Das Urteil müsse erst ausgewertet und geprüft werden. Danach müsse ein Weg gefunden werden, die Menschen vor terroristischen Anschlägen zu schützen. „Das ist nicht mit ganz raschen Entscheidungen möglich.“
Für jedwede Änderung des Grundgesetzes braucht die große Koalition freilich nicht nur die eigene Zweidrittelmehrheit im Bundestag, sondern auch die Zustimmung der FDP im Bundesrat. Wie die Liberalen gewonnen werden sollen, ist allerdings fraglich. UWI