: Gebäudereiniger ausgetrickst
LÖHNE Die Gewerkschaft IG BAU beschuldigt Unternehmen, den neuen Tarifvertrag zu ignorieren
BERLIN taz | Ihr Streik im Oktober letztes Jahr war erfolgreich. Und so müssten knapp 90.000 der rund 860.000 Gebäudereiniger seit dem 1. Januar eigentlich mehr Geld erhalten. „Doch wir schätzen, dass ein Drittel der Unternehmen, die im Arbeitgeberverband BIV organisiert sind, sich weigern, den aktuellen Tariflohn zu zahlen“, sagt Frank Wynands von der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).
Mit dem BIV, dem Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, hatte sich die IG BAU im Oktober 2009 auf Lohnsteigerungen von 3,1 Prozent im Westen und 3,8 Prozent im Osten ab 2010 geeinigt – und darauf, für die neuen Tariflöhne beim Bundesarbeitsministerium erneut die Allgemeinverbindlichkeit zu beantragen.
Branchenweite Mindestlöhne hat die Politik noch nicht verabschiedet, „aber das spielt für unseren Fall keine Rolle“, sagt Wynands. Wegen ihrer Erfahrung, dass sich die Politik mit Mindestlöhnen schwertut, setzte die IG BAU im neuen Tarifvertrag durch, die Lohnerhöhungen nicht an die gesetzliche Verabschiedung des Mindestlohns zu koppeln. Demnach müssten bereits jetzt zumindest alle IG-BAU-Mitglieder mehr Lohn erhalten.
Bei Piepenbrock, einem der Branchenriesen in der Gebäudereinigung, versteht man die Anschuldigungen der Gewerkschaft nicht. „Wir haben schon vor dem 1. Januar die IG BAU aufgefordert, uns mitzuteilen, wer bei ihnen organisiert ist“, sagt Unternehmenssprecher Jörg Schwarzwald. „Das dürfen wir gar nicht“, sagt Wynands, „das dürfen nur die Beschäftigten selber.“ Er spricht von „Lohntrickserei“ – bei Piepenbrock wisse man wegen vergangener Tarifauseinandersetzungen sehr genau, wer in der IG BAU sei. Zudem sei es oft üblich, einfach allen Beschäftigten die höheren Löhne zu zahlen – „um unorganisierte Mitarbeiter nicht in die Gewerkschaft zu treiben“, erklärt Wynands.
Unzufrieden ist man bei BIV, Piepenbrock und der Gewerkschaft gleichermaßen darüber, dass die neue Mindestlohnverordnung so lange auf sich warten lässt. Käme sie, würden für alle Unternehmen verbindliche Lohnuntergrenzen gelten. Unterbietungskonkurrenz wäre schwieriger. Der Kabinettsausschuss aus CDU, CSU und FDP hat die Verordnung bereits durchgewinkt, es fehlt die Unterschrift von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Eine Sprecherin des Ministeriums kündigte die Unterschrift für die „nächsten Tage“ an. EVA VÖLPEL