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Archiv-Artikel

Unethische Forschungsunterstützung

Ein Münchner Chemiker erhält den Forschungspreis der Philip Morris Stiftung. Das ist alles nur PR, so Tabakgegner

Mit 25.000 Euro hat die Philip Morris Stiftung dieses Jahr den Münchner Chemiker Thomas Carell bedacht. Er war einer von vier Preisträgern, die den Forschungspreis der Stiftung erhielten. Der Preis wird jährlich vergeben und ist immer wieder von der Anti-Tabak-Lobby kritisiert worden. Der Vorwurf: Mit dem Forschungspreis wolle sich der Tabakkonzern Philip Morris gesellschaftliches Ansehen kaufen, um darüber hinwegzutäuschen, dass seine Produkte das Leben vieler Menschen zerstören.

„Mit der Verleihung an Carell bricht die Stiftung ihr Versprechen, keine medizinische Forschung mehr zu finanzieren“, monieren die Autoren des Fachmagazins Nature. Denn Thomas Carell, Wissenschaftler an der Münchener Universität, untersucht die Reparaturmechanismen im Zellkern, Heimat der DNA. Bislang konzentrierte er sich auf Pflanzenzellen. Dies ist laut Philip Morris der Grund, warum Carell unter den Preisträgern sei. „Er betreibt Grundlagenforschung, die nichts mit Medizin und schon gar nichts mit Rauchen zu tun hat.“

Das sehen laut Nature viele Wissenschaftler anders. Denn es ist unbestritten, dass Zigarettenrauch der Erbsubstanz schadet und so zu Krebs führt. Das Wissen aus dem Labor von Carell könnte demnach auch für die Tabakindustrie interessant sein. Zudem widmet sich Carell seit neuestem auch der menschlichen Erbsubstanz. Kürzlich schuf er defekte DNA-Stränge und vermischte sie mit Reparatur-Enzymen. So konnte er verfolgen, wie die Erbsubstanz ausgebessert wurde. Ziel dieses Versuchs: die Reparaturwerkzeuge einer Krebszelle zerstören, damit Chemotherapeutika besser wirken.

„Makaber“ nennt es Ernst-Günther Krause von der Nichtraucher-Initiative Deutschland, „einen Forscher auszuzeichnen, dessen Studien den Tabakkonsumenten Vertrauen in die Reparaturfähigkeit des menschlichen Körpers vermitteln sollen.“

Carell kann die Aufregung nicht nachvollziehen und nimmt die Stiftung in Schutz: „Von der Forschung an Krebszellen kann die Stiftung nichts gewusst haben, dazu gibt es noch keine Veröffentlichung.“ Mit dem Preis der Tabakindustrie hat er kein Problem. „Auch die Gelder für den Nobelpreis stammten einst aus dem Verkauf von Dynamit.“ Und dass Unternehmen gut dastehen möchten, könne man ihnen schließlich nicht vorwerfen.

Seltsam findet Carell daher auch, dass das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg vor kurzem einen Kodex verabschiedet hat, mit dem sich die Forscher verpflichten, keine finanziellen Mittel der Tabakindustrie mehr anzunehmen – egal ob für Forschung oder für Privatzwecke. Zudem lehnen es die Krebsforscher seitdem ab, an Kongressen teilzunehmen, die mit Geldern aus der Tabakwirtschaft bezahlt wurden.

„Wir wünschen uns, dass andere Forschungsinstitute diesem Beispiel folgen“, so Martina Pötschke-Langer vom DKFZ. Denn: „Krebsforschung und Tabakindustrie schließen sich aus.“ Der Münchner Carell meint dazu: „Als Forscher ist man nur seinen Ergebnissen und nicht den Sponsoren verpflichtet. Dafür braucht es keinen Kodex.“

Pötschke-Langer wundert sich über so viel Naivität: „Wenn man als Wissenschaftler Geld von der Tabakindustrie annimmt, ist man nicht mehr unabhängig.“

KATHRIN BURGER